maurice de martin: prozessreflexion
Es erscheint als genau die richtige Zeit, solche Projekte wie das unsere zu lancieren und diese auch in einem gewissen großzügigen Zeitrahmen sich entwickeln zu lassen. Die Disziplinen sind heute nicht mehr voneinander abgeschottete Produktionseinheiten (waren sie dies jemals?), sondern sie verdichten sich auf immer komplexere Weise miteinander kommunizierender Gefäßen.
So wird es einem jedenfalls immer wieder suggeriert.
Die Wirklichkeit erscheint einem dagegen zuweilen weit davon entfernt.
Auch unser Projekt zeigt dies deutlich. Der transdisziplinäre Austausch muss bei jedem Projekt wieder von neuem erlernt werden und man stößt da immer wieder an gewisse Grenzen. So auch bei unserer Gruppe, die extrem heterogen besetzt ist und es deshalb nicht immer einfach hat. Auch im Sinne der menschlichen Charaktere. Es benötigt viel Zeit, dass sich die Menschen näherkommen, gegenseitiges Vertrauen, Verständnis aufbauen, gemeinsame Strategien entwickeln können etc. Diese Widerstände sind es aber gerade, die uns antreiben und je länger wir uns austauschen, desto intensiver erscheint der Austausch.
Es ist schwer diesen Prozess zu reflektieren, wenn man mitten drin steckt. Es ist sehr interessant da als Akteur mit dabei zu sein und es macht mir gar nichts aus, dass viele Komplexe sich erst langsam herausschälen. Ich bin überzeugt: die wahre Erkenntnis unseres Projekts wird sich erst nach dessen Ende langsam formieren. Und dies wird sich für jeden von uns auf unterschiedlicher Weise manifestieren.
Es ist die Vielfalt und die Langsamkeit, die unser Antrieb sein sollte. Wäre da nicht der Zeitdruck, Ergebnisse erzeugen zu müssen. Ich bin als Künstler immer mehr ungehalten darüber, dass man heute bei der Abgabe des Projektantrags immer schon den Abschussbericht mit dabei haben muss. Dieses Raster führt oft dazu, dass gerade die extrem spannenden, prozessbetonten Projekte (wie das Unsere) nach und nach deformiert werden und ihnen dadurch der eigentliche „Sinn“ geraubt wird. Ich hoffe, wir werden es schaffen, hier die Balance zu halten.
Im Kontext unseres Projektes stellen sich für mich immer wieder Fragen nach den „Funktionsverhältnissen“ der Akteure untereinander. Gerade im Kontext des: was macht wer bei den WissenschaftlerInnen und was macht wer bei den KünstlerInnen. Dieses Projekt wird ja von einer Institution getragen, die sich bezeichnend “ Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste“ nennt.
Anzapfen ist gut und erwünscht. Bei uns profitieren beide Disziplinen, bei jedem Treffen ein Bisschen mehr. Da stellen sich für mich immer wieder Fragen nach der gegenseitigen Verantwortung, aber auch den Verortungen, dem Antrieb, der Hierarchie, der Toleranz, der (Selbst)-Reflexion, der Fähigkeit und dem Willen, über seinen Schatten zuspringen und die eigenen Routinen zu hinterfragen etc. etc.
Langsam scheinen die Projektbeteiligten das Vertrauen zueinander zu finden, individuell über „den Schatten zu springen“.