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dark chambers

(Josef Winkler:)    Ich beschäftige mich für dieses Projekt mit Chaim Soutine, einem Maler, den ich von den Bildern her seit meinem siebzehnten Lebensjahr kenne und der die schönsten Gladiolen, die schönsten Zuckerbäcker und die schönsten Ministranten …mehr

Ich spreche keine Sprache nicht

Die Geschichte von der Frau mit dem durch­sichtigen Kopftuch, auf dem silberne Toten­köpfe aufgedruckt sind, von den roten Gla­diolen auf dem Totenbett von Chaim Soutine und vom Kunstmaler Georg Rudesch, der die Totenmaske seines Vaters in den Händen hält

Als ich, aus dem Zugfenster schauend, bei einem Bauernhof eine alte Frau sah, die zwei Hühner hinter den Flügeln gefaßt hatte und auf ein eingezäuntes Feld zuging, in dem zwanzig, dreißig Hühner nach Würmern suchten, fiel mir meine inzwischen verstorbene Mutter ein, die immer dann ein Huhn hinter den Flügeln gepackt hielt, wenn sie damit zur Schlachtung in den Stall ging. Sie faßte das Huhn vor der Jaucherinne an den Beinen, so daß der Kopf nach unten hing, betäubte es mit einem Holzscheit, klemmte es zwischen ihre Beine, bog den Hals nach hinten, rupfte die Federn aus dem Kragen und säbelte mit einem gewetzten Messer langsam dem zitternden und mit den Flügeln schlagenden Tier den Hals auf, so daß Blut ringsum spritzte, auf die Beine …mehr

„Der Tod und die Fersen“

„Sind wir denn, frage ich, nicht mehr, als dieses Knochengestell, umspannt von Fleischsträngen? Als dieser Korb und Sack, gefüllt mit zuckenden, pumpenden und saugenden Organen, wie ein volles Nest nackter Seetiere ineinandergeschmiegt? Wäre das alles?“

Alfred Kubin

„Ich glaube, Max Dauthendey, der mit Malern Umgang hatte, entdeckte den schmächtigen, immer schwarzgekleideten Jüngling mit dem blassen Knabengesicht, das sich zur Verdüsterung ein bisschen anstrengte und scheu tat wie ein junger Wolf, den man aus der Grube ans Licht gezogen hat. Er brachte ihn und eine große Mappe, besser eine große Mappe mit dem zierlich-kleinen Kubin, der so tat, nichts eigentlich dafür zu können, dass er zeichne, sondern unter Zwängen zu stehen, die ihm die Hand führten.“

Franz Blei

1.

„Freilich war dieses gotisch düstere Gotteshaus mit seinem Prunk immer eine erste, furchtgebietende Größe, doch in meinem kleinen und dabei lebhaft katholischen Heimatdorf fand sich für uns Schuljungen auch wieder ein ganz intim behagliches Verhältnis zu ihr“, lese ich in der autobiographischen Schrift von Alfred Kubin und erinnere mich dabei an die Kirche meines Heimatdorfes in Kamering, in Kärnten, an einen Gottesdienst an einem klirrend kalten Dezembertag, an eine Nische in der Kirchenmauer, rechts vom …mehr

„Ah, diese viehische Kunst“

„Ein Bild ist ein künstliches Werk, das nichts mit der Natur zu tun hat und das sowohl höchste Raffinesse,  als auch das Ausüben eines Verbrechens erfordert.“

Edgar Degas

„…dann das große Wort: Das ist obszön! Wenn es je Werke gab, die es so wenig waren, Werke ohne verzögernde Rücksichtnahme und ohne Hinterlist, ganz und entschieden keusch – dann sind es diese hier! Sie verherrlichen sogar die Verachtung des Fleisches, wie es seit dem Mittelalter kein Künstler gewagt hatte.“

Joris Karl Huysmans über Edgar Degas

DER ERSTE TAG

– „Verdammt noch mal! Posieren Sie heute aber schlecht!“ rief der mürrische, fast schon erblindete Degas, der keine Farben mehr unterscheiden konnte, die Faust auf den Modellierblock schlagend. „Wenn Sie müde sind, sagen Sie es doch!“

– „Ja, ich bin müde!“ sagte die nackt vor dem Künstler posierende 25jährige Pauline.

Kurze Zeit später, nach dem sich Pauline ein wenig ausgeruht, ihre steif gewordenen Beine gestreckt und massiert hatte, zum offenen Feuer des  Kamins gegangen war, um …mehr

heiliger josef

(Josef Winkler, einmal in Händen eines Ex-Heiligen-Vaters, selig:)    Ich wurde am 3. März 1953 als Sohn bäuerlicher Eltern in Kamering bei Paternion, Kärnten, geboren, besuchte die achtklassige Dorfvolksschule und die Handelsschule in Villach, die ich nicht abschloß. Am 1. April trat ich als sogenannte „Schreibkraft“ in den Bürodienst der damaligen Hochschule für Bildungswissenschaften und jetzigen Universität Klagenfurt. In dieser Zeit gründete ich mit dem Klagenfurter Universitätsprofessor und Schriftsteller Alois Brandstetter den „Literarischen Arbeitskreis“ und gab mit ihm die Literaturzeitschrift „Schreibarbeiten“ heraus, die an der Hochschule gedruckt wurde. Über den „Literarischen Arbeitskreis“, häufig gemeinsam mit der Landhausbuchhandlung, luden wir noch unbekannte, aber vor allem viele bekannte AutorInnen nach Klagenfurt zu Lesungen ein, unter anderem Wolfgang Hildesheimer, Erich Fried, Hubert Fichte, Marin Walser, Paul Nizon, Franz Innerhofer… Im Ganzen waren es wohl weit über 100 Veranstaltungen. Im Jahre 1979, nachdem im Suhrkamp Verlag in Frankfurt auf Empfehlung von Martin Walser mein erster Roman „Menschenkind“ erschien, ging ich als „Maschinschreibkraft“ in Karenz (gegen Entfall der Bezüge) und kündigte meinen Dienst im Frühjahr 1982 an der Universität Klagenfurt. Seither lebe ich als freier Schriftsteller. Meine Bücher wurden bis jetzt in 13 verschiedene Sprachen übersetzt, es gibt über 30 Buchübersetzungen. Für mein literarisches Gesamtwerk wurde ich 2007 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis und 2008 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.