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winkler / miklautz: über den berg

„… Und wenn der Text abgetippt ist und er sich verändert hat, und er intensiver und auch schon das ganze Sprachgebäude etwas deutlicher geworden ist, dann drucke ich ihn wieder aus und lasse ihn wieder liegen, und am dritten Tag tippe ich ihn noch einmal ab, und dann muss ich noch einmal alles abtasten, alles berühren, also mit den Fingerspitzen auch, jeden Satz, jedes Wort, und dann beim dritten Mal ist es eigentlich soweit, da geht es schon, da bin ich eigentlich über den Berg …“


Josef Winkler, interviewt von Elfie Miklautz am 27.01.12, Dauer 1:01 Stunden

E.M.: Ok Josef, du bist ein Schriftsteller?
J.W.: Peter Handke hat über sich gesagt, und das gefällt mir gut, als also der Andre Müller, der vor ungefähr einem halben oder dreiviertel Jahr gestorben ist, dieser Starreporter, der hat den Peter Handke einmal gefragt, ob er ein Genie ist, und dann hat Handke abgewunken, also er ist kein Genie, Handke sagt über sich selber „Ich bin auch kein Schriftsteller, ich schreibe, ich habe geschrieben, ich werde geschrieben haben“, also das gefällt mir, [E.M.: Mhm.] das könnte ich für mich auch irgendwie übernehmen.
E.M.: Das ist vielleicht auch eine Antwort auf die Frage, die ich jetzt stellen will, nämlich, du bist ein Schriftsteller, du schreibst, meine Frage wäre, was tust du? Was tust du, wenn du arbeitest, wenn du es in ein paar Sätzen sagen sollst, also jemand kommt vom Mars oder so, weiß gar nichts und du sagst: ich bin ein Schriftsteller …
J.W.: Handke sagt auch in seinen Notizbüchern „Gestern Unterwegs“, man kann nicht schreiben können, also im Sinne von können, sondern es passiert dann einfach irgendwie, es passiert mir dann auch, dass eine Zeit lang, vierzehn Tage, also da merke ich, ich brauche mich gar nicht hinsetzen und das machen, aber irgendwann da spüre ich, jetzt ist es an der Zeit, jetzt müssen die ersten Sätze kommen, da muss man sich konzentrieren, und dann sind die da, wenn die ersten Sätze einmal da sind, dann geht das irgendwie schon weiter, aber ich muss so erste, halbwegs gute Formulierungen zustande bringen, dann geht es dahin. Es liegen natürlich ein paar Notizen herum, die werden zusammengesammelt, zusammengeführt, und dann ist auf einmal der Punkt, es gehen dir diese Sätze ständig im Kopf herum, und jetzt formuliere ich sie wieder und wieder und wieder, und dann muss der Augenblick da sein, dann muss ich mich einfach hinsetzen und das tun, sonst geht es verloren irgendwann, sonst erschöpfe ich mich im Rumsimulieren.
E.M.: Du sagst du musst, das heißt du verspürst so eine Art innere Notwendigkeit, das zu tun?
J.W.: Naja, wenn eine Zeit lang nichts weiter geht, dann fühle ich mich nicht wohl, dann bin ich so seltsam, oder ein bisschen aggressiv, oder verzweifelt oder so, und dann merke ich, jetzt wird es an der Zeit, also dass ich meiner Aufgabe, und das ist Aufgabe auch, man muss sich selber auch dafür aufgeben, nachgehe und nachkomme, dann wird alles besser.
E.M.: Also du bringst so eine Art Opfer, du gibst etwas auf, um das zu tun?
J.W.: Ja, ich weiß ganz genau, ich lasse mich ja auch auf eine schwierige Situation ein, und ähm, es ist aber immer besser, sich auf diese Situation einzulassen, als dann gar nichts zu tun, dann wird alles viel schwieriger.
E.M.: Und an dem Schreiben, wenn du dann so im Schreibprozess drin bist, ist da etwas Spielerisches auch dabei, hat das so spielerische Anteile?
J.W.: Naja, das glaube ich schon, dass also auch spielerische Anteile dabei sind, wenn ich dann versuche, ein paar Sätze zu schreiben, und ich mich doch sehr auf die Form, auf den Stil und auf die Konstruktion konzentriere, dann kann es schon sein, dass so ein Spiel mit Worten und Wörtern und auch mit der ganzen Form zustande kommt.
E.M.: Macht dir das Spaß, machst du das gerne?
J.W.: Einerseits ist es oft schwer, auf der anderen Seite, wenn ich dann merke, es geht jetzt gut beim Schreiben, dann fühle ich mich sehr wohl und dann denke ich mir so, irgendetwas kann ich doch auch, weil sonst habe ich das Gefühl, ich kann überhaupt nichts.
E.M.: Hat diese Arbeit des Schreibens etwas zu tun mit dem Lieben, gibt es Gemeinsamkeiten?
J.W.: Ähm, die Schreibarbeit, auch meine, ist ja unter anderem auch in der Form und im Stil, oft auch in den Motiven, eine sehr sinnliche, ja, auch diese Suche nach Metaphern, und die Suche nach surrealen Bildern, die sind dann oft sehr sinnlich und manchmal kann man sagen sehr erotisch auch, ja das ist auch eine Form von Erotik.
E.M.: Ist die dann in den Worten oder in dir?
J.W.: Naja möglicherweise in beiden, also das versteckt sich dann im einen und im anderen, ich denke, ich fange jetzt an, ein Theaterstück zu schreiben, ich glaube schon, also das wird auch eine ähm eine erotische Geschichte auch.
E.M.: Sind Worte auch erotisch, also auch Worte, die keine erotischen Themen berühren?
J.W.: Ja, möglicherweise bestimmte, mit denen man also dann gerne umgeht, und sie vergrößert, verkleinert, indem man sie dehnt, damit zu spielen beginnt, also das ist sicherlich auch ein sinnliches Spiel, da müsste schon etwas dran sein, ja.
E.M.: Spielen andere Menschen eine Rolle für dich in deiner Arbeit, also brauchst du die real, andere Menschen, um zu arbeiten, oder brauchst du sie bloß in Gedanken, oder ist das eine ganz einsame Tätigkeit, wo andere Menschen gar nicht anwesend sind?
J.W.: Das ist eher eine einsame Tätigkeit, ich brauche dafür niemanden, also es kann mir auch niemand helfen beim Schreiben, ich brauche in keinster Weise irgendeinen Zulieferanten für ein Material oder so, das muss ich irgendwie alles selber finden, und ich bin ja auch schon öfter in Archive gegangen und habe mir gedacht, jetzt mache ich es mir einmal leichter und suche etwas, vielleicht kann ich damit umgehen irgendwie, aber es ist immer schief gegangen, also ich muss einfach selber schauen, die Augen aufmachen, gehen, der Nietzsche sagt ja, man schreibt auch mit den Füßen, also gehen und ja.
E.M.: Und dieses, beispielsweise das Gehen oder das Tun, führt dann dazu, dass du auf ein Thema stößt, oder hast du ein Thema und das entwickelt sich dann in dir, oder wie kommst du eigentlich zu einem neuen Thema, an dem du dann dich abarbeitest?
J.W.: Wenn ich irgendwo also mit meinem Notizbuch unterwegs bin, zum Beispiel wie jetzt in Indien, da sammle ich einfach Bilder, ich konzentriere mich dabei weniger auf mich selber, ich muss also dort die Augen aufmachen und schauen, was mich interessiert, was ich sehe, und das dann ganz spontan und so detailliert wie möglich aufschreiben, wichtig ist also detailliert, nicht in Stichworten, Stichwort, das ist ja schon ein grausiges Wort, Stichwort, auch keine Anspielungen oder so, sondern direkt, wenn ich irgendetwas sehe, detailliert aufschreiben, und manchmal passiert das so, wenn ich mir vorstelle, ich gehe jetzt irgendwo hin und möchte irgendetwas Bestimmtes beschreiben, unterwegs stoße ich aber auf etwas, wo ich merke, ich komme nicht weg, dann ist das gut, also ich bleibe da zwei drei Stunden und gehe dann gar nicht weiter, weil da hat es sich dann ereignet, zu dem anderen kann ich vielleicht ein anderes Mal auch gehen, weil das darf ich dann nicht verlassen in dem Augenblick, und wenn ich dann glaube, ich finde dort drüben etwas, ich habe etwas versäumt dann, da muss ich sein, da muss ich bleiben. Ich war dann in Kalkutta öfter auf dem Markt, und das ist ja wirklich ungeheuerlich, was sich da abspielt, da ist ja bei uns alles steril und clean, ein ganz anderes Leben, und dann wollte ich auf den Markt wieder gehen, weil es so lebendig ist dort, und auf der Straße sehe ich dann eine Kleinigkeit, also das war eine Frau, die hat an einer Mauer gelehnt , ich glaube sie hat gebettelt, ich weiß nicht mehr so ganz genau, ich habe das jetzt nicht mehr so genau im Kopf das Bild, und die habe ich dann beschrieben zwei Stunden lang, und dann war das der Tag, mehr als drei, vier Stunden kann man nicht schreiben, wenn zwei Stunden gut gehen, dann passt es.
E.M.: Und das ist dann sagst du eine Notiz, die du mit dir nimmst?
J.W.: Ja, ja, das ist also, wenn ich so lange so bei einem Objekt dann bleibe, oder bei einem Bild, dann geht es schon weit über die Notizen hinaus, dann ist es eh schon eine sehr sehr detaillierte Beschreibung, die ich dann, also wenn ich das übertrage auf die Schreibmaschine oder so, nur in ihren Verschlingungen oder halt in der Satzkonstruktion irgendwie einfach erweitern muss, oder es sind also einige Bilder in dieser Beschreibung drinnen, die ich dann in einen Satz zusammenführe und dann einfach so eine Satzkonstruktion baue, aber im Grunde ist schon alles da, es ist schon geschehen [E.M.: Mhm.], aber es geschieht eben dadurch, weil ich mir sage, also ich notiere in dem Sinn nicht in so Notizen auf, so kleine, also so Anspielungen oder gar Stichwörter, sondern ich mache das totale Detail, weil fünf oder zehn Jahre später, wenn ich dann nicht reinschaue mehr in diese Notizbücher, und ich lese das so detailliert nach, dann sehe ich das wieder sehr sehr deutlich vor mir.
E.M.: Du hast aber nicht – wenn dir etwas begegnet, was dich innehalten lässt, um es zu beschreiben, weißt du noch nicht wie oder in welchem Zusammenhang du das eines Tages verwenden wirst?
J.W.: Nein überhaupt nicht, das will ich auch gar nicht wissen, das ist offen, ich muss einmal zuerst also sozusagen die Blüten sammeln, und also die Bilder, die kleinen Ereignisse, und dann kann ich da eine Geschichte irgendwie zusammenstellen, ich kann ja auch, wenn es so Beobachtungen mehrerer Personen gibt, dann kann ich ja aus diesen vier, fünf oder sechs Personen eine einzige machen und was ich an der einen oder anderen gesehen habe, kann ich ja sozusagen diesen Mantel, kann ich ihnen mehrere Kleider anziehen, ein Hemd, einen Rock und einen Mantel einer einzigen Person, damit sich das nicht so zerläuft oder zerfleddert das Ganze, da schaue ich öfter drauf, ja das ist dann eine Person, all das, was die anderen fünf, vier, was ich an denen noch wahrgenommen habe.
E.M.: Mhm, gibt es Momente des Zweifels für dich, wenn du arbeitest, wenn du schreibst?
J.W.: Naja, die gibt es ja immer wieder, die gibt es ja immer wieder, und beim Schreiben stoße ich ja letzten Endes dann immer an die Mauer, und ich merke irgendwann immer, aha, da endet jetzt meine Artistik, weiter geht es nicht, also ich bin vielleicht mit einem Stabhochspringer zu vergleichen, ich komme nicht auf 5,40 rauf, ich glaube das ist, den Weltrekord gibt es glaube ich noch nicht, ich weiß es nicht ganz genau, aber so bin ich halt bei 5,10 oder 5,05, ist auch etwas, nur nicht auf 4,80 runterrutschen, weil dann gibt auch der Stabhochspringer seinen Stab aus der Hand.
E.M.: Das ist jetzt so ein Bild von unterschiedlichen Höhen, und du weißt, wie es in der Höhe ist oder wie es dort ausschaut oder so?
J.W.: Naja, wenn ich dann so meine Sätze konstruiere und schreibe, dann ähm merke ich dann irgendwie schon selber, ob ich so eine bestimmte gewisse Artistik erreiche, ob ich doch also weit, um es jetzt so auszudrücken und beim Sportbild zu bleiben, über diesen Austrorealismus mit diesen schlichten Sätzen und dieser Mitteilung bleibe, ob ich dann nicht doch mit dem, mit diesem Material, mit dem Stoff, den ich da mir beobachtet, erschrieben habe, dann doch etwas daraus gemacht habe, die erste Stufe ist ja dann also den Stoff finden, und dann den Stoff einmal erst übertragen können in Worte, und dann, wenn der Stoff einmal so übertragen ist wenigstens in Worte, dann ist der Augenblick da, wo ich das Ganze noch weiter in die Höhe zu treiben versuche, das gelingt halt einmal mehr, einmal weniger, und mit halt all den Schwächen und Stärken auch.
E.M.: Mhm, ich versuche mir das gerade konkret vorzustellen anhand eines Satzes, ja, du hast einen Satz und du sagst jetzt, den möchtest du weiterentwickeln, den möchtest du, wie du sagst, eine Stufe höher, heißt das dann ein Verb austauschen oder was kann das heißen?
J.W.: Es ist oft also mehr als ein Satz, es sind oft zehn oder zwanzig Sätze, und diese zehn oder zwanzig Sätze, die versuche ich dann also wie Bausteine ineinander zu verkeilen auch, und daraus eine einzige Satzkonstruktion zu machen, auf der einen Seite von der Grammatik her in einem bestimmten Schwierigkeitsgrad, und auf der anderen Seite versuche ich dann aus diesem Material, also sagen wir jetzt zehn Sätze, etwas reinzuverpacken und ja, so eine Wortschleife zu erfinden.
E.M.: Und gibt es in deinem Tun Kompromisse, schließt du manchmal Kompromisse?
J.W.: Ja, die Kompromisse, die gibt es dann schon auch, also wenn ich dann einmal so einen Text also fertig habe, wenn der also wirklich durchgearbeitet ist, es ist ja auch so, dass manchmal die Sätze zehn, zwanzig Mal umformuliert werden und ich schaue einen Text ja oft durch, und dann zum Schluss merke ich, wenn der Text fertig ist, also wenn die Sätze, wenn ich das durchlese, sozusagen zu klingen beginnen, also wenn die Musik da ist, und dann passiert es mir schon, wo ich mir denke dann, so, für diese musikalische Version, für diese Form jetzt, da würde ein anderes Wort also besser passen, damit der Klang deutlicher, stärker wird, aber es ist doch nicht das richtige, und das doch bessere Wort auch, das in die Beschreibung dann hineinpasst, und da muss ich dann doch einen Kompromiss machen, was will ich jetzt stärker darstellen und hervorstellen, entweder die Atmosphäre oder das Inhaltliche, sofern es das ja wohl auch gibt und geben wird müssen, oder halt soll es den Klang verstärken, also ich muss mich entscheiden zwischen der Präzision des Ausdrucks oder dem Weitergleiten des Satzes und so, das kommt schon öfter vor, ja.
E.M.: Du hast von Klang gesprochen und einmal kam auch das Wort Musik vor, hat Sprache etwas mit Musik zu tun für dich?
J.W.: Ja, also, ich lese auch sehr sehr gerne Bücher, wo ich dann spüre so beim Lesen, also, dass der Klang, dass es ein musikalischer Text ist, also es gibt ja von Gerhard Jonke zum Beispiel einen Roman, der heißt „Der ferne Klang“, der Jonke ist ja auch ein großer Rhythmiker der deutschen Sprache, und die Erzählung „Abschied von den Eltern“ von Peter Weiss zum Beispiel ist auch also in einem bestimmten Rhythmus, in einem Klang von vorne bis hinten geschrieben, also wie so eine Komposition, also das ist schon etwas, worauf ich Wert lege und das dann letzten Endes auch meine Schlussarbeit ist, also, das Beschriebene ist beschrieben, das Gesagte ist gesagt, und jetzt möchte ich auch noch die Form und den Klang, möchte ich das Ganze auch noch so in einer gewissen Weise verpackt wissen, damit es überall ankommt, beim Ohr und beim Auge des Lesers [E.M.: Mhm, mhm.], und ich selber merke es ja dann spätestens dann, wenn ich da zu Lesungen eingeladen bin und aus dem Buch vorlese, dann merke ich ja selber dann hinterher etwas später, wenn man eine Distanz hat, wo es noch ein bisschen holpert und wo es eigentlich ganz schön rübergekommen ist, da kommt man schon darauf oft, meistens nicht, bevor es veröffentlicht ist.
E.M.: Hörst du die Sätze schon beim Schreiben in dir, vernimmst du sie so?
J.W.: Manchmal ist es wirklich so, das ist mir in letzter Zeit auch aufgefallen, dass es beim schnellen Niederschreiben also schon recht gut gelingt, und dann, wenn ich dann einen Text niedergeschrieben habe, also dann, das mache ich meistens in einem Zug durch, das können ein paar Stunden sein, und dann drucke ich den Text aus und lege ihn weg, und am nächsten Tag nehme ich den selben Text und tippe ihn noch einmal ab, den selben Text, nicht gleich, sondern dann schaue ich wieder, was wird jetzt passieren, es kann sein, dass er sich sehr verändert, wichtig ist, dass er noch einmal abgetippt wird, und wenn der jetzt wieder abgetippt ist und er sich verändert hat und er auch intensiver und auch schon das ganze Sprachgebäude etwas deutlicher geworden ist, dann drucke ich ihn wieder aus und lasse ihn wieder liegen, und am dritten Tag tippe ich es noch einmal ab, und dann muss ich noch einmal alles abtasten, alles berühren, also mit den Fingerspitzen auch, jeden Satz, jedes Wort, und dann also beim dritten Mal ist es eigentlich schon so weit, da geht es schon, da bin ich eigentlich schon über den Berg, wenn ich einen Text also drei Mal abschreibe, und dann beginne ich also im Text drinnen, den ich dann nicht mehr noch einmal abtippe, bereits zu arbeiten, dann ist das irgendwie, da entwickelt sich das dann schon.
E.M.: Und du sagst, du musst das spüren mit den Fingerspitzen, das ist dann die Tastatur?
J.W.: Ja ja, genau.
E.M.: Ja. Jetzt schreibst du ja die Notizen mit der Hand, ist das für dich, erlebst du das unterschiedlich, ob du mit der Hand schreibst oder mit der Maschine?
J.W.: Ja, ja Notizen schreibe ich mit der Hand, Notizen schreibe ich meistens wenn ich unterwegs bin, also wenn ich so in Klagenfurt lebe, sagen wir zwei Monate, und ich schreibe irgendetwas, da habe ich schon so meine Notizen, auch wenn mir unterwegs etwas einfällt, aber das sind entscheidende Formulierungen, und ab und zu ist es auch ein Gedanke, wo ich mir denke, das kann ich doch irgendwie gebrauchen, aber die Notizbücher, die Notizbücher entstehen, die entstehen also vor allem dann, wenn ich unterwegs bin, also Indien, Italien, Mexiko, Spanien, wo immer ich halt bin.
E.M.: Also es ist für dich nicht notwendig zuerst alles einmal mit der Hand geschrieben zu haben [J.W.: Nein!], bevor es zum Text werden kann? Nein?
J.W.: Nein, das überhaupt nicht, das überhaupt nicht, ich habe dann doch einige Notizen, wenn ich ähm, ja, und und die verwende ich sofort, und dann beginnt der Text eigentlich schon zu entstehen, und während ich das schreibe, kann mir passieren, dass ich außerhalb von dem Text, an dem ich gerade arbeite, dass mir etwas Bestimmtes oder eine Formulierung einfallt, dann muss ich schnell nebenbei eine Notiz machen, damit ich das nicht vergesse, und dann kommt das auch da irgendwie hinein, aber sozusagen … ja.
E.M.: Notierst du in Hefte?
J.W.: Ja ich habe jetzt so sehr schöne Notizbücher, viele sind aus Indien.
E.M.: Wie groß sind die denn?
J.W.: So normale, so ein Notizbuchformat, also größer als diese Moleskin oder wie die heißen.
E.M.: Größer als die?
J.W.: Ja ja [E.M.: Mhm.], da nehme ich immer aus Varanasi so einen Stoß leerer Notizbücher mit, also da sehe ich, wie sie auf der Straße gebunden werden, und dann kaufe ich mir einen Stoß, und ähm, damit arbeite ich dann sehr gerne, und meistens habe ich dann eine Füllfeder bei mir, die wird also gefüllt, mit der Tinte, also mit dem Tintenfass, und bevor ich dann am Morgen oder am Vormittag außer Haus gehe, vergesse ich fast nie, die Füllfeder zu füllen, dann muss ich das Tintenfass nicht mitnehmen, also es reicht, wenn ich einen Tag unterwegs bin oder einen halben, dann reicht also eine gefüllte Füllfeder, zur Vorsicht habe ich immer auch noch einen Bleistift in der Tasche drinnen, weil wenn die Tinte ausgeht, dass ich weiter schreiben kann, weil es gibt nichts Entsetzlicheres als da das Schreibgerät nicht dabei zu haben, das kriegt man ja dann in Indien auch nicht an jeder Ecke.
E.M.: Und die Notizhefte, gibt es da drinnen dann so Rubriken für bestimmte Themenbereiche?
J.W.: Nein überhaupt gar nicht [E.M.: Gar nicht.], tagebuchmäßig, tagebuchmäßig, ja, es ist so, ich lese dann, also reden wir von Indien, wir waren jetzt in Pune, das ist im Bundesstaat Maharashtra, und Maharathi wird dort also gesprochen und geschrieben, nicht Hindi oder nicht Bengali oder so, sondern Maharathi, und da schaue ich, da kaufe ich mir jeden Tag einen Stoß Zeitungen, mindestens fünf oder sieben, jeden Tag, auch die auf Maharathi, und die englischen, und die schaue ich immer durch, bei den englischen, da kann man immer lesen, ob es interessante Artikel gibt, und bei den anderen, wo es auf Maharathi steht, also da suche ich dann nach Bildern und die schneide ich dann aus, und die picke ich dann ins Notizbuch hinein, schreibe das Datum dazu, und so sind diese Notizbücher einfach so sehr sehr schön und vielfältig, voll mit Tagebuchnotizen, Zeitungsausschnitten, Texten aus Zeitungen, also Berichte, oder auch einfach nur Bilder, schöne Bilder aus Indien oder irgendwo her, und so setzen die sich zusammen, und es existieren fünfundachtzig inzwischen, und die liegen eingelagert in der Nationalbibliothek in Wien.
E.M.: Mhm, und die kannst du dir aber jederzeit holen, wenn du dann etwas damit machen willst?
J.W.: Die letzten dreißig Notizbücher, die sind nicht bearbeitet, die habe ich mir kopiert, und dieser Stoß, der ist ungefähr so hoch, den habe ich zuhause liegen, das einzige, was dabei ist, also dass natürlich die Notizbuchatmosphäre als solche auf der Kopie nicht so zu finden ist, aber ich brauche das meistens gar nicht so, ich brauche einfach die Tagebuchaufzeichnungen, den Text, und sonst kann ich ja reinschauen in die Nationalbibliothek.
E.M.: Sind in deinen Werken auch Erkenntnisse enthalten, hast du den Eindruck es handelt sich dabei um eine Art Erkenntnis, die du gewinnst, wenn du etwas beschreibst, oder über etwas schreibst?
J.W.: Aso Erkenntnisse, ich weiß nicht so genau, was das ist, eine Erkenntnis, ähm…, naja sicherlich, das wird ab und zu schon vorkommen, dass ich dann beim Schreiben, also dann irgendwelche Gedanken entwickle, die einfach durch das Schreiben, durch das Weiterschreiben entstanden sind, die vorher nicht so im Kopf waren, und erst durch das Wort, von Zeile zu Zeile, von Wort zu Wort, also daherkommen, und wo ich mir dann denke, aha das habe ich vorher, bevor ich also den Bleistift, die Füllfeder angesetzt habe, eigentlich nicht so gedacht, oder bedacht, oder so gesehen, das kommt schon vor.
E.M.: Mhm, das entsteht dann richtig im Tun?
J.W.: Ja, das entsteht im Tun, aber wie gesagt, das ist für mich also kein, weder philosophischer noch ein psychologischer Drang, geschweige denn Zwang, also ich bin ein Bildermensch, es existieren fünfzehn bis siebzehn Bücher von mir, und mehrere 1000 Seiten, und es gibt von diesen mehreren 1000 Seiten eben wenige Sätze, die nicht aus einem Bild bestehen, ich bin ein Bildersucher, ich gehe durch die Straßen, suche Bilder, und wenn ich irgendwo in Europa in einer Großstadt bin, der erste Weg ist ins Museum, und da schaue ich mir die Bilder an, da denke ich mir immer, ein Bild werde ich garantiert finden, das ich brauchen kann, irgendein ein Motiv, ein Bild oder sonst etwas [E.M.: Mhm.], und wenn ich eine schöne Postkarte in der Libreria finde irgendwo, dann nehme ich sie mit, und die liegt dann am Schreibtisch, und wenn ein besonderes Bild lange Zeit am Schreibtisch liegt, also sehr sehr lange Zeit, dann also ist es verdächtig, es kann sein, dass ein Bild dann ein paar Monate oder ein halbes Jahr dort liegt, und wenn es ein halbes Jahr dort liegt, dann ist es aber garantiert eine Geschichte, eine vielleicht gar nicht kleine in irgendeinem Text, ich schaue immer wieder hin, dann weiß ich nie was ich tun soll, monatelang nicht, aber auf einmal ist eine Geschichte dann da [E.M.: Mhm.], ich überlege mir das auch gar nicht, was ich da tue, das entsteht dann irgendwie.
E.M.: Es ist bei dir, und du suchst es immer wieder auf und lässt es offen, warum du das magst oder so?
J.W.: Ja sicher, ja das muss dann einfach so liegen, damit ich das einfach sehen kann, nicht also irgendwo versteckt, und auch nicht so, dass ich es irgendwie rausholen muss dann, sondern es ist einfach da, nur wenige Sachen braucht man, um es zu finden, dann ist es eh schon wieder zu spät [E.M.: Mhm, mhm.].
E.M.: Wenn es von dir zum Beispiel eine Beschreibung einer indischen Blumenverkäuferin gibt, da steckt ja dann eine bestimmte Erkenntnis über dieses Blumenverkaufen als Frau in Indien auch drinnen, die daraus hervorgeht, und das ist in dem Fall ein geschriebener Text, meinst du, dass man das selbe, was du ausgesagt hast damit, auch in einer anderen Form veranschaulichen könnte, also könnte man ein Musikstück schreiben oder ein Bild malen, aus dem etwas Ähnliches lesbar wäre, wie aus dem von dir geschriebenen Text?
J.W.: Das glaube ich schon, also Musik glaube ich weniger, oder sagen wir so, da kenne ich mich weniger aus, aber so wenn ein Maler, und wir haben so beide das selbe Objekt gefunden, also eine Blumenverkäuferin, eine indische, und wenn ein Maler das malt und ich das beschreibe, da bin ich vollkommen überzeugt davon, das kann sehr schön zusammenpassen, also meine Präzision dann, wenn ich ins Detail gehe, und wenn mich dieser Mensch interessiert, es muss aber so eine Anziehungskraft da sein, dann funktioniert es gut.
E.M.: Eine Anziehungskraft zum Objekt, über das du schreibst?
J.W.: Ja, zum Objekt, wenn die Frau oder so irgendetwas Interessantes oder Schönes also an sich hat, ich bin ja draufgekommen in meinem Leben, dass man auch bei so genannten hässlichen Menschen, die man halt so bezeichnet, wenn man die genauer anschaut, findet man irgendetwas an dem, was schön ist, was immer das ist, das kann sein, dass das Ohr das ist, irgendetwas, ich kann das so nicht sagen, dass der nur hässlich ist und so weiter, und wenn mich jemand so besonders anzieht und ich jemanden so lange anschaue, dann wird es eh schon verdächtig, dann kann es schon sein und ich beginne zu beschreiben, die Kleider, das Gesicht, die Hautfarbe, die Bewegung, was tut sie, wie geht sie mit den Blumen um, wie hält sie die Blumen ein, wie schnürt sie sie und so weiter, und das sind alles diese Details, da kann ich über zwei Seiten oder drei eigentlich nur so Details, so von Handbewegungen und Blicken und Reden, kann ich beschreiben, das ist wie ein Film dann letzten Endes in Worten, und das dauert dann vielleicht über zwei Seiten, und das dauert dann über zwei Seiten ja doch schon wieder ein paar Minuten, in denen die Kamera, so meine Sprachkamera, meine Filmkamera, da einfach den Blick darauf wirft, das sind Worte noch nicht, also in dem Sinn, und es gibt in einem von meinen Büchern gibt es ja ein Kapitel irgendwo, jetzt weiß ich nicht genau wo, da stelle ich mir vor, wie ich eine Filmkamera auf meinen Hals geschnallt habe statt dem Kopf, und die sucht und bewegt sich und sucht ständig Bilder, so etwas Ähnliches.
E.M.: Mhm, mhm, wenn du einmal das Gefühl hast, du kommst nicht weiter, was machst du dann?
J.W.: Ja wenn ich irgendwie merke, es geht irgendwie nicht weiter, dann lasse ich das entweder liegen, mache etwas anderes, oder wenn der Text nicht allzu groß ist, beginne ich den ganzen Text noch einmal abzuschreiben, und noch einmal abzutasten, dann habe ich immer wieder die Hoffnung, dass während ich schreibe, dass wieder etwas dazwischen und dazu kommt und der Text intensiver wird oder so, also einfach so die mechanische Arbeit des Schreibens, das ist für mich dann auch so eine kreative Art von Yoga, ich bewege zwar meine Finger, aber sonst also beschäftige ich mich mit dem, und wenn dann was dazu kommt, und wenn es schöner wird, also dann bin ich schon zufrieden, und es kann ja nicht immer so im Wortrausch und in Wortanfällen gehen, weil die sind ja auch, die erschöpfen ja auch sehr, ich habe jetzt kürzlich so eine Geschichte geschrieben, es ist eigentlich über meinen Großvater und über meine junge Mutter und da habe ich also aus einem Buch von der Ilse Aichinger so Zitate so als Intarsien eingesetzt und das ist, ich habe von dem Text ja früher geredet, ist ein sehr intensiver, durchrhythmisierter Text mit im Grunde genommen sehr wenigen Sätzen, und daran habe ich so vierzehn Tage, drei Wochen gearbeitet, und dann bin ich aber wochenlang erschöpft eigentlich auch, und dann merke ich, das schreibt in mir nicht, ich will zwar, und ich quäle mich, aber es hat überhaupt keinen Sinn, besser ich mache etwas anderes, und dann auf einmal passiert es eh wieder, wenn ich so merke, dann beginnt das Formulieren wieder, besser dann wieder weiterarbeiten, und nicht wie ein Beamter dann, das macht nichts, wenn einmal eine Zeit lang nichts ist.
E.M.: Du hast Yoga gesagt dazu zum wieder Abtippen, ist das so eine meditative Art des Die-Finger- Bewegens und Mit-den-Worten-Seins, wo dann wieder Neues entsteht daraus?
J.W.: Ja es ist halt wieder die Beschäftigung also mit den Buchstaben, mit den Worten, es ist ein Spiel, es ist die Tastatur, und man sieht, also ich drücke auf einen Knopf und plötzlich ist ein Buchstabe da, so ist es ja nicht nur heute am Computer, so war es ja früher auch bei der mechanischen Schreibmaschine, man hat etwas fester niedergedrückt und dann ist eine Typengabel rausgezuckt sozusagen und hat also ein Wort hingeschleudert, hingedruckt, es ist natürlich auch ein Spiel, und ähm, und ich habe meine erste Schreibmaschine als 14-Jähriger gekriegt, ich bin in die Handelsschule gegangen, also es hat irgendwie geheißen, es soll jeder eine Schreibmaschine haben, es war aber keine Pflicht, und ich habe es dann zuhause so ausgedrückt, als ob ich das wirklich haben muss, und dann ist eines Tages tatsächlich der Vater aus Villach mit einer Schreibmaschine dahergekommen, die hat man mit einem Reißverschluss aufmachen können, da ist Brother deluxe ist da gestanden, da kann ich mich noch genau erinnern, ja damit hat es dann begonnen, und es war dann auch insofern gut, ich habe dann in der Handelsschule das Zehnfingersystem gelernt, und wir waren in der Bauernküche, es hat ja nicht jeder ein eigenes Zimmer gehabt, und irgendwie hat das meinem Vater imponiert, wie ich da auf der Tastatur meine Finger, ich schaue aufs Papier und ich schreibe, das hat ihm imponiert, er hat irgendwie gemerkt, dass ich auch etwas kann, da hat sich dann die ganze Situation für uns entspannt, dass ich in der Küche Schreibmaschine geschrieben habe, dass das natürlich die ersten Anschläge zum Durchbruch in eine andere Welt, und auch den Sprung vom Misthaufen, bedeutete, das habe ich auch nicht so bewusst wahrgenommen, aber ich habe schon etwas gespürt, also da bleibe ich nicht sitzen, das war schon klar für mich.
E.M.: Mhm, du hast gesagt, es ist einsam, eine einsame Arbeit, wenn du schreibst, musst du dich dafür auch so distanzieren von der Welt, also stark zurückziehen, nein?
J.W.: Nein, das muss ich nicht.
E.M.: Dürfen andere auch im Raum sein, wenn du arbeitest?
J.W.: Nein, nein im Raum eigentlich nicht, aber wenn ich also dort in meiner Schreibkanzlei, wie ich sie nenne, an der Uni, schreibe, ist also nicht selten die Tür so einen Spalt oder überhaupt ein bisschen offen, und dann wenn ich mich mehr konzentrieren muss, dann mache ich sie einfach zu, also ein Zweiter im Raum, also das glaube ich ist schwierig, aber so wenn unweit von mir irgendwer vorbeihuscht, das stört mich nicht, das habe ich wahrscheinlich auch in der Bauernküche gelernt, und da waren ja die Knechte, die Mägde, die Großmutter, die Kinder, das war die Küche, das war im Winter ja der einzige Raum, der warm war im Haus, sonst hat es ja keinen warmen Raum gegeben, und dann haben wir uns, am kleinen Eck, das übrig geblieben ist beim Tisch, haben wir uns auf die Schularbeit konzentrieren müssen, und so habe ich das gelernt [E.M.: Mhm, ja.], wir haben ja nie in dem Sinn ein eigenes Zimmer gehabt, erst später dann.
E.M.: Also du machst eher so innen ein Raum auf für dich, in dem du ungestört bist, und außen zieht das Leben weiter vorbei?
J.W.: Ja, ja das habe ich irgendwie vermutlich von dort mitgenommen.
E.M.: Ich habe dich früher gefragt nach Zweifeln, was ich auch noch gerne wüsste, spielt Angst irgendeine Art von Rolle in deinem Tun?
J.W.: Ja ja, dieses Aufwachen in der Nacht öfter, ähm, dass es nicht weitergeht, dass ich nicht schreiben kann, dass ich die Sprache verliere, also die Angst, also die ist dann doch immer wieder da, und sie ist auch eine Triebfeder, also die Angst, also die hilft dann auch beim Weiterschreiben, die Anstrengung dann einfach sich anzustrengen, also die Angst zu überwinden, die Angst zu bekämpfen, und wichtig ist halt das Hinsetzen, und das Wiederschreiben und das Wiederprobieren und so, und ähm dadurch wird die Angst also auch oft nicht ausgelöscht, aber niedergeschrieben einfach, und weggeschrieben, und dann ist ja wieder etwas da, und dann kommt sie ja wieder, der Feind, der lauert ja immer, und dann heißt es wieder also mit den Worten diesen Feind, und das ist ja die Sprachlosigkeit, wieder zu überwinden, weil die Gefahr lauert immer wieder, dass man in die Sprachlosigkeit der Kindheit auch zurückfällt, und ich beneide diese jungen 25-,27-,28-jährigen Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die vielleicht großen Erfolg haben, die beneide ich nicht besonders, weil das ist vielleicht auch zu viel des Guten, weil Schriftsteller ist man erst ab dem dritten oder vierten Buch, beim ersten ist einem etwas geglückt, so oder so, welche Qualität auch immer, aber dann kommt das Entscheidende, und wenn es beim ersten Mal schon sehr sehr erfolgreich ist, also im Sinne von Auszeichnungen und auch Verkaufen, das muss man halt beim zweiten Buch dann … [E.M.: halten], da will man das halt auch haben, aber das ist dann oft gar nicht so leicht, es ist irgendwie besser, also man geht von Stufe zu Stufe, man schreibt sich dann von Buch zu Buch, von Stufe zu Stufe weiter, das ist glaube ich besser.
E.M.: Mhm, und jeder neugeschriebene Text ist Mittel zu Bewältigung dieser …
J.W.: Ja ja, sicherlich, das ist eine Stiege, und wenn man so will, ist also jeder neue Text also dann ähm, ja.
E.M.: Gibt es etwas, wovor du deine Arbeit schützen musst?
J.W.: Nein, da fällt mir momentan nichts Besonderes eigentlich ein, meine Arbeit schützen … nein, da fällt mir eigentlich nicht so viel ein.
E.M.: Mhm. Dürfen Andere Arbeiten, die im Entstehen sind, sehen, also Menschen, die dir nahe stehen, dürfen die da etwas davon schon lesen, oder möchtest du das nicht so?
J.W.: Ähm, also ich zeige es meistens, wenn ich einen Text fertig habe, zeige ich das erst meiner Frau, die dann die ersten Korrekturen macht, und dann also geht es eigentlich schon ans Lektorat vom Suhrkamp-Verlag.
E.M.: Spielt die Tradition eigentlich für dich eine Rolle, also Werke, die von anderen geschrieben worden sind, vor hunderten Jahren, oder vorige Woche, oder wie gehst du mit anderen geschriebenen Werken um, sind die dir wichtig oder nicht?
J.W.: Eigentlich lese ich vor allen Dingen also Bücher, wo ich genau weiß, also diese Qualität werde ich nie erreichen, Romane oder Erzählungen, weil sonst lerne ich ja nichts dazu, weil wenn ich Bücher lese, die auf meiner Ebene, auf der qualitativen, sind, dann werde ich da nicht viel dazulernen können, und also wo ich auch merke, bei Büchern, die unter meinem Niveau sind, um es so zu sagen, was soll ich denn davon lernen, natürlich kriegt man oft einen roten Kopf, also wenn man dann Bücher liest, wo man genau merkt, man möchte etwas Ähnliches machen, von ähnlicher Qualität, und es geht einfach nicht, so eine Art von Eifersucht ein bisschen, aber ein bisschen ein Schmerz gehört dazu, schon beim Lesen gehört ein Schmerz dazu, beim Schreiben kommt er dann eh.
E.M.: Mhm, das heißt Schreiben ist oft auch etwas Schmerzvolles?
J.W.: Ja ja, es ist ja eine sehr schöne Arbeit, eine oft eine sehr leichte Arbeit, dann wieder eine sehr schwierige Arbeit, und ähm, ja, es ist ja auch eine Auseinandersetzung vom Kopf über die Seele über die Fingerspitzen, es ist auch eine sehr körperliche Arbeit, und wenn ich dann manchmal vier, fünf oder sechs Stunden schreibe, dann kann ich nicht mehr geradeaus gehen, so erschöpft mich das dann auch.
E.M.: Ja, kannst du ein bisschen mehr darüber sagen, wie der Körper da mitarbeitet, was der Körper da tut?
J.W.: Es ist auch eine körperliche Erschöpfung, also das, wo man dann müde ist, und wie ich gesagt habe, habe ich regelrecht manchmal Kreislaufstörungen, und bin auch dann also irgendwie den Abend mehr oder weniger gar nicht so ansprechbar, simuliere immer noch so vor mich hin, obwohl ich nicht formuliere, aber in irgendeiner Sauce stecke ich noch drinnen, wo ich nicht weiß, wie sie ausschaut, und was sie eigentlich ist, was sie bedeutet, bis ich da so wirklich rauskippe, da schlafe ich dann schon.
E.M.: Das heißt es fordert eigentlich den ganzen Körper?
J.W.: Ja ja, es ist so in der intensiven Schreibphase ist es schon, fordert das sehr, und ist sehr anstrengend, und nicht einfach nur hinsetzen und schreiben, das stellen sich die Leute oft so leicht vor, und wenn ich dann zu manchen sage, ja du pass auf, setz dich hin jeden Tag drei, vier Stunden, schreibe einen Brief an irgendjemanden, schreibe in diesem Brief etwas, das nicht bedeutungslos ist, dann wirst du schon sehen, wie anstrengend das ist, wie dich das erschöpft, das ist schon, das schüttelt man nicht immer aus dem Ärmel, oft geht es wirklich sehr leicht, aber dann ist es ein Kampf, mit der Sprache, mit dem Wort.
E.M.: Mhm, du hast schon gesprochen vom Hören, von der Sprachmelodie, die ein Text hat, du hast vom Sehen gesprochen, dass du eben etwas wahrnimmst, du hast vom Tasten gesprochen, das beim Schreiben wichtig ist, spielt das Riechen und das Schmecken auch irgendeine Rolle in der Arbeit?
J.W.: Ja, also natürlich, speziell auch in Indien, ich war heute in unserer Mittagspause, war ich zum Beispiel in einem indischen Laden da, und dann gehe ich da rein, und dann sehe ich mich schon in Indien, also es ist irgendwie, auf einmal habe ich das Gefühl, ich bin überhaupt dort, also wenn ich dann nicht richtig darüber nachdenke, dass ich jetzt hier in Wien in diesem Laden bin, also da glaube ich, ich bin irgendwie dort, da sind ja auch indische Verkäufer, also da kann mir schon passieren, dass ich in so und so viel Minuten also gar nicht das Gefühl habe, in Mitteleuropa zu sein, so schnell geht das dann, über das Riechen.
E.M.: Mhm, über das Riechen. Und Schmecken?
J.W.: Ja, das Schmecken auch..
E.M.: Sag, wo arbeitest du am liebsten?
J.W.: Ja, wie gesagt, also wenn ich unterwegs bin, in Indien, gehe ich durch die Straßen, also das mache ich oft sehr sehr gerne, dass ich auch neugierig bin und immer wieder hoffe, dass ich etwas Besonderes sehe, das man sich gar nicht ausdenken oder erfinden kann, oder fantasieren kann, man muss ja nur die Augen aufmachen und gehen, und schauen, und sich darauf einlassen können, und sonst, also muss ich eigentlich sagen, in Klagenfurt habe ich meine Schreibkanzlei, die ich sehr schön eingerichtet habe, also mit Bildern ausgestattet, mit Teppichen, mit einem schönen großen schwarzen Schreibtisch und schwarzen Rollläden, also ich habe da eine Atmosphäre errichtet, wo ich dann, muss ich sagen, also mich eigentlich so in einem Schreib- und Wohnzimmerbereich befinde, der wirklich nichts mit so einer Büroatmosphäre zu tun hat, das muss ich mir alles errichten und einrichten, das muss ich mir alles suchen, zusammenklauben und aufstellen.
E.M.: Das heißt, diese Umgebung, in der du arbeitest, ist schon auch wichtig für das, was dabei rauskommt?
J.W.: Mh, die äußere Umgebung also vielleicht nicht so, also ich brauche da eben diesen einen Raum, also wo ich da meine persönlichen Gegenstände, die Ruhe habe und so weiter, und ja, das ist es dann eigentlich.
E.M.: Mhm, wenn du schreibst, oder wenn du so dich anfängst mit etwas zu beschäftigen, spielt Intuition dabei eine Rolle, ist da so etwas Intuitives dabei bei deinem Schreiben, oder ist das schon sehr klar, was …
J.W.: Ja, die Intuition, ich stelle mir da von vornherein nicht so besonders viel vor, sobald ich mir von vornherein also vorstelle, wie das alles sein und ausgehen und weitergehen wird, habe ich schon verloren, da ziehe ich mich, also wenn ich mir das so ausdenke, eigentlich schon auf einem Faulbett zurück, so als ob das Ganze jetzt schon geritzt und unter Dach und Fach wäre, nein, ich muss mich auf ein Abenteuer einlassen, und hinterher, wenn ich mit dem Text fertig bin, bin ich immer, oder meistens, erstaunt, wo er mich hingebracht oder hingeführt hat, daran habe ich also vorher nicht gedacht, also ich hab da keinen Zettelkasten, ich habe da keinen Plan, den ich da aufstelle, und mich an die Wand stelle und sage, so, jetzt kommt das Kapitel dran, und das wird das da sein, oder passieren, ich habe zum Beispiel die römische Novelle Natura Morta geschrieben, da kommt also ein junger Bursch vor, der wird beschrieben in seiner Lebenslust, und die Fische und so weiter, die Käufer und Verkäufer, und dann irgendwann kommt es zum Unfall, und plötzlich beschreibe ich über Seiten den Tod, wie ihn ein anderer Verkaufskollege von der Straße aufhebt und mit diesem jugendlichen Körper, mit einer, so wie eine rasende Pieta, wie eine laufende Pieta, durch den Markt läuft, und links und rechts tauchen noch einmal alle Fische, die Tiere auf, die hängenden Hasen und Rehe und so weiter, so eine Natura Morta-Situation, und als der Text dann fertig war, und der Junge tot, und sozusagen durch die Gegend getragen worden ist, bin ich vom Schreibtisch aufgestanden, bin weinend in die Küche gegangen und habe zu meiner Frau gesagt, er ist tot.
E.M.: Mhm, das klingt so, als habest du eine Beziehung aufgebaut zu dem fiktiven Wesen, über das du geschrieben hast.
J.W.: Ja, gerade diese spezielle Situation also da in Rom, ähm, da bin ich ja auch, da war ich zum Beispiel zwei Monate am Markt, also mit Füllfeder und Notizbuch, und bin zwischen den Fleisch- und Fischständen gestanden und habe da auch notiert, und so kleine Beobachtungen gemacht, genau wie der Fischverkäufer habe ich auch auf die Käufer gewartet, ob vielleicht jemand kommt, wo es interessant wird, wo die Zigeunerin und die Kinder gekommen sind und so, das ist immer interessant geworden, so diese Spiele, die Zigeunermädchen und die jugendlichen Verkäufer, die Fischverkäufer, diese ganzen Spiele, diese Koketterie, das habe ich alles beobachtet, und auch also die Beschreibung des Fisches, so wie er daliegt, die Farben, und wie sich noch die Aale so hin- und herschlängeln, sofern sie noch nicht ganz tot sind, wälzen sie sich da ziemlich lang und so, also all die Details, in den ersten paar Tagen bin ich da hingekommen auf den Markt, und die haben sich so verwundert, die Verkäufer, was ich da so wohl tue, aber drei, vier Tage später war ich dann sozusagen der Mitarbeiter, die einen verkaufen den Fisch, und ich beschreibe ihn.
E.M.: Ja, so wurdest du wahrgenommen, als so dazugehörig?
J.W.: Ja, ich war da dabei, es war dann nach einer Woche oder einigen Tagen selbstverständlich, dass ich wiedergekommen bin, dann bin ich einen Tag nicht gekommen, dann hat man gefragt, wo ich war gestern.
E.M.: Mhm, und die wussten, was du tust?
J.W.: Ja, ich habe gesagt, ich schreibe Romane, und mache Notizen und beschreibe den Markt und so, einmal habe ich vielleicht gesagt, ich bin ein Journalist, und beschreibe den Markt, und so.
E.M.: Mhm, und von diesen Situationen, wo du rausgehst, um etwas zu sehen, wahrzunehmen, und zu notieren, das waren jetzt Straßenszenen, das war der Markt, gehst du auch manchmal in die sogenannte Natur, also wo keine Menschen sind, keine Häuser sind, oder machst du das eher nicht?
J.W.: Also das ist eher weniger, ja, eher weniger, es ist irgendwie immer so mitten im Tiefen und mitten im Leben drinnen, also das fällt mir jetzt auf die Frage hin auch selber auf, also ich gehe immer dann dort gern zu so belebten Stellen und also dort, das stimmt schon.
E.M.: Also jedenfalls Menschen sollten …
J.W.: Ja, ja, schon, während der Handke ja viel in die Natur geht [E.M.: In die Natur geht, ja.], also die Pyrenäen durchquert, den Karst durchquert, die Gegenden und so, das ist irgendwie nicht so sehr meine Sache.
E.M.: Mhm. Wenn du schreibst, schreibst du vor allem für dich?
J.W.: Das kann ich nicht so sagen, ob ich vor allem für mich schreibe, aber es ist so, dass ich, also wenn ich schreibe, denke ich nicht direkt schon an den Leser, es schaut mir während ich schreibe niemand über die Schulter, sondern ich versuche einfach, beim Schreiben und durch das Schreiben, das zu entwickeln, sowohl vom Inhalt her, von der Form und vom Stil, was ich eben so am besten kann, was da rauskommt oder so, da beginne ich nicht von vornherein zu spekulieren, weil ich weiß, wir wissen eh wo es endet, weil es ist so, das machen ja nicht wenige, also wie schreibe ich jetzt, damit das auch ankommt, damit es verkauft wird, also das Thema hat mich nie beschäftigt, da habe ich immer gewusst, ich verbaue mir etwas, ich verbaue mir vieles, vielleicht sogar alles, und ich kann es auch nicht, ich kann es ja gar nicht, ich kann es nur so machen, wie ich es mache und da steht niemand neben mir, und wenn es einmal fertig ist, das Produkt, ja dann ist es halt so, ob das dann groß wahrgenommen wird oder weniger, das steht in den Sternen zuerst einmal.
E.M.: Möchtest du gerne, dass du Leser hast, also ist dir das ein Anliegen?
J.W.: Ja, sicherlich, es ist schon ein Vergnügen, also diese Natura Morta-Geschichte, also in der Erstausgabe, in der Taschenbuchausgabe, in der Bibliothek Suhrkamp, dieses Büchlein von 120 Seiten, ist ja auch gar nicht einmal unkompliziert zu lesen, das hat schon also so zwischen dreißig- und vierzigtausend Käufern gefunden, das ist dann schon sehr schön, das ist mir klar, weil dann denke ich mir vierzigtausend Leute, das ist ein richtig gefülltes Fußballstadion, und jeder hält sozusagen das Buch in der Hand, das ist schon ganz schön.
E.M.: Möchtest du auch, dass die Leute, die das lesen, verstehen, worum es dir dabei gegangen ist, also dass die einfach etwas verstehen, was sie hier lesen?
J.W.: … also damit beschäftige ich mich eigentlich nicht so, das ist mir eigentlich ziemlich wurscht, das ist nicht mein Thema, ob die das verstehen oder nicht. Ich muss mit den eigenen Sätzen, mit der eigenen Geschichte zufrieden sein, und das ist einmal das Erste, also ich muss, wenn ich in zehn Jahren wieder in das Buch reinschaue, muss ich mich nicht schämen müssen dafür, man schämt sich sowieso immer wieder dafür, für das eine oder andere, aber es darf nicht so eine Katastrophe sein, wo man sich sagt, wie ist denn das möglich, dass du sowas gemacht hast, wenn man Kompromisse eingeht, dann hat man schon verloren, dann schreibt man halt so wie der Herr was weiß ich Glattauer, der ist ja auch glatt.
E.M.[lacht]: Glatt und auig?
J.W.: Ja, ja, die Leute überlegen sich genau, wie sie Geld erschreiben, also für mich wäre das, ich kann es nicht, ich würde auch gern viel mehr Bücher verkaufen, das ist eh klar, das ist ja logisch, je mehr desto besser, je unabhängiger desto, aber man darf auch nicht die Gefahren vergessen, die auflauern können, dort oder da.
E.M.: Ja, und wenn andere das, was du geschrieben hast, interpretieren, wie geht es dir damit?
J.W.: Also da beschäftige ich mich eigentlich nicht damit, wenn ich so eine Dissertation oder Diplomarbeit in die Hand krieg, dann raschel ich ein bisschen, und freue mich, dass es entstanden ist und so, und wenn jemand zu mir kommt und ein Interview will, oder in ein Manuskript die Entstehungsgeschichte irgendwie so, wie heißt das, Text …[E.M.: Ideen? Ideen, nein.], also nachschauen will, wie das entstanden ist, dann mache ich meistens das Paket auf, ansonsten beschäftige ich mich damit nicht, also ich lese nicht direkt das nach. Jetzt im Herbst ist ein Roman erschienen, ich habe dem Verlag nicht geschrieben, sie sollen mir die Rezensionen schicken, ich habe mir gar nichts angeschaut, wenn du den Büchner-Preis hast, dann schaust das nicht mehr an, da können sie machen, was sie wollen, da ärgere ich mich dann nur darüber …
E.M.: Du setzt dich gar nicht damit auseinander?
J.W.: Soll ich vielleicht einem Redakteur noch einen Brief schreiben oder was, das habe ich dreißig Jahre nicht gemacht, das machen ja manche. [E.M.: Ja.] Und es heißt ja Literaturkritik, nicht, es ist ja die Literaturkritik, es heißt ja nicht Literaturlob, also müssen sie ja irgendetwas finden, was eben zu kritisieren ist, es hilft ja nichts, und unverschämt wird es halt dann, wenn, so wie der Friedrich Hebbel gesagt hat, ein Buch von ihm, oder ein Stück, ich weiß es nicht mehr, ist kritisiert worden, und da hat der Kritiker sozusagen, der Hebbel vergleicht es also mit einem Baum, also ein Baum, der voller grüner Blätter ist, und da sind ein paar braune drauf, ein paar braune Blätter, ein paar faule auf dem Baum, und dann ist es gemein, wenn der Kritiker dann das Blatt runterreißt und sagt, also das ist der Baum, das tut man auch nicht, dann wird es sicher unangenehm das Ganze, da muss man schon im Rahmen sein.
E.M.: Mhm, ja. Und wenn du eine Arbeit veröffentlichst, wenn du weißt, das Buch wird jetzt in Buchhandlungen liegen, irgendwelche Redakteure werden es lesen, und alle möglichen Menschen, welche Empfindungen hast du da, freust du dich, bist du stolz?
J.W.: Naja, wenn es schön gemacht ist, wenn es einen schönen Umschlag gibt und so weiter, ich meine, ich bin ja da in der Provinz, und dann irgendwann, also wenn es soweit ist, das Buch ausgeliefert ist, dann geht man schon ein bisschen neugierig in die Buchhandlung hinein, dann sieht man es dort liegen, ja, aber jetzt beschäftigen sich erst die Leute damit, jetzt beschäftigen sich dann die Leute damit, und ich muss ja auch weiterschreiben, ich bin ja dann ganz woanders, mich interessiert es eigentlich gar nicht mehr, für mich ist es ja schon vorbei.
E.M.: Also es ist auch nicht irgendeine Form von Angst oder Scham oder irgendetwas damit verbunden?
J.W.: Nein, nein, es ist nicht gestorben, aber ich muss woanders sein, ich muss ja schon weitertun.
E.M.: Und wie merkst du, dass es fertig ist, also wann ist eine Arbeit für dich abgeschlossen?
J.W.: Nein, irgendwann merke ich schon, ich merke schon, wenn ich dann hinterher, wenn ich dann sehe, dass also die Sätze, wenn, wenn der Klang dann stimmt, wenn ich das durchlese, und ich bearbeite es ja oft, und ich lese das dann noch einmal durch, also ich kann es natürlich nicht auswendig, aber wenn ich dann merke, aha, jetzt schaue ich nur mehr so, so hin ein bisschen, jetzt lese ich die Sätze nicht mehr so richtig, und sie klingen schon, ich höre die Musik, da muss ich aufpassen, so jetzt ist es aus, sonst beginne ich zu zerstören, dann bin ich soweit, und dann muss der Lektor eh noch ein bisschen etwas einrichten, weil die Grammatik durcheinander geht, und wenn ich so zu meinen verschlungenen Sätzen und zu surrealen Bildern komme, dann weiß ich oft nicht mehr, wie ich die Grammatik eigentlich einrichten soll, und dann tut er schon ein bisschen reduzieren, das kann mir dann schon passieren, dass ich einfach die Sätze ein bisschen auseinanderbrechen muss einmal[E.M.: Ja, ausnahmsweise, ja.], das kann mir schon passieren, wenn es über zwei Seiten geht und ich halte es nicht durch, dann muss man schon, weil einfach durch einen Beistrich trennen, und sozusagen so tun, als ob das dann der, der grammatikalisch also verwendete Satz wäre, das stimmt dann auch wieder nicht.
(Unterbrechung durch in den Raum kommende Person, die ersucht, ans Fenster, das sich hinter dem Interviewtisch befindet, treten zu können)
E.M.: Mhm, ja das ist eh eigentlich der richtige Moment, weil ich bin mit den Fragen durch.
J.W.: Ach so, sehr schön, passt.
E.M.: Danke.