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klement / miklautz: strukturen klingen

„… Das Komponieren hat für mich in erster Linie mit Strukturen zu tun, diesen versuche ich zu folgen, und das Klingende ist dann oft die Oberfläche … Wenn die innere Struktur schlüssig ist, dann ist meistens auch das Klangliche ein gutes Ergebnis. Interessante, daß meistens dort, wo ich mich am meisten abgeplagt habe, auch die schlechtesten Stücke entstehen. Da, wo ich mir leichter tu, ist es meistens der innigere Zusammenhang, der nähere. Das andere klingt dann sehr bemüht …“


Katharina Klement, interviewt im Oktober 2011 von Elfie Miklautz, Dauer 1:11 Stunden

E.M.: Das Erste, was ich dich fragen möchte ist, wenn dich jemand fragt, was denn dein Beruf ist, was gibst du denn für eine Antwort darauf?

K.K.: Komponistin, [lacht] es ist Pianistin auch dabei, meistens relativiere ich eher das Pianistin, weil na ja doch irgendwie diese klassische Pianistin da erwartet wird, oder ich relativiere das insofern, weil ich sage ich spiele Klavier, fast ausschließlich im improvisatorischen Zusammenhang, als Improvisatorin, ganz selten passiert es, dass ich Stücke interpretiere, das ist eigentlich auch ausschließlich zeitgenössischer Kontext, wo meistens auch sehr viel improvisatorischer Zusammenhang ist, oder konzeptuelle Stücke, alles andere … also zuhause spiele ich sehr gerne Bach oder Beethoven oder so, also das ist natürlich ein Background zu diesem Pianistinnen-Dasein. Und als Komponistin …

E.M.: Was tut denn eine Komponistin?

K.K.: Was tut denn eine Komponistin? , [lacht] Tja. Gute Frage, willst du das jetzt in allen Facetten?

E.M.: Was tust du also, wenn du sagst dein Beruf ist Komponistin, dann frage ich, was tust du denn als Komponistin, was sagst du dann?

K.K.: Ja, das ist eine Vielfalt an Dingen, ja fangen wir einmal an beim tatsächlichen Komponieren, ja, [lacht] das ist immer ein bisschen schwer zu erklären, meistens arbeitet man sich ab anhand eines Auftrags, oder ich geh jetzt einmal – das sind manchmal sehr sehr kleine Aufträge oder Anfragen, also die Zeit ist zumindest für mich vorbei, dass man sagt, ich habe jetzt da etwas im Kopf und das möchte ich gerne umsetzen, das ist eigentlich, leider ist der Luxus eigentlich nicht mehr da oder kaum mehr da, es gibt natürlich schon ja, Dinge, die man unterbringen möchte und die man dann sich selber als Aufgabe stellt, oder halt bei der nächsten Gelegenheit bringe ich die unter, also so ist es nicht, das darf man nicht falsch verstehen, nicht, dass ich nur von einem Auftrag zum nächsten hetze. Über das Inhaltliche und wie dieser ganze Komponier-Prozess vor sich geht, das ist halt sehr schwer, das so zu erklären, so verbal, ich glaube das ist jetzt auch nicht unbedingt Thema. Da gibt es, ja, es ist eigentlich auch ein sehr pragmatisches Arbeiten, natürlich braucht man irgendeine Idee und dann setze ich mich hin und fange halt an, also es ist so, und im Zuge des Arbeitens entwickelt sich vieles.

E.M.: Also das heißt das ist nicht so, dass du vorher dir denkst, wie du das genau jetzt machen wirst in so einer Abfolge, sondern du fängst einmal an und aus dem, was dann da ist, entwickelt sich etwas weiter oder so?

K.K.: Meistens bin ich schon sehr streng, der äußerste Rahmen, den muss man sich auch einmal ausdenken, ja, der ist meistens gegeben, das geht oft sehr schnell, eine Idee ist ja immer so im Nu da, aber das ganze Ausarbeiten im Detail ist manchmal sehr aufwendig, oder das ist eigentlich die eigentliche Arbeit, dieses sich Hineinarbeiten ins Detail und in den Prozess, sei es, dass man einfach etwas schreibt, sei es, dass man wenn man mit dem Computer am Klangmaterial selber arbeitet, mein Gott, dann hat man die unendlichen Hindernisse der Technik oft, das Kabel und jenes, und der übertragt das da nicht und so weiter und Software lernen, und so weiter und so fort, also da gibt es ganz viele ganz ganz banale, oder banal sind sie gar nicht, ja zum Komponieren da gehört natürlich viel viel viel dazu, das geht ja auch weiter, wenn man jetzt mit Interpret/innen arbeitet, also ich will jetzt diesen ganzen Prozess gar nicht so im Detail erklären.

E.M.: Ja wir können ja einmal ausschließlich beim Komponieren bleiben, ohne dass ich viel darüber wüsste, und die Frage der Interpreten dann einmal beiseite lassen, aber vielleicht ist das auch gar nicht richtig, aber wenn du sagst Ideen sind bald welche da, die fliegen einem so quasi zu, oder da kommt bald einmal eine Idee?

K.K.: [unterbricht] Nein, wenn sie da sind, so war das gemeint.

E.M.: Das heißt davon gibt es viele, und oder woher kommen die, kommen die zu dir, suchst du die oder fallen sie dir zu, oder finden sie dich?

K.K.: Ja von vielem ein bisschen was, nicht, ooch, da gibt es sicher so Ebenen, wo man sagt, da muss man sich einfach einmal leer machen, also wenn ich etwas Großes vorhabe, dann ist immer einmal Räumen so ein Prozess, dass man vieles wegräumt, und das heißt, dass man den Tisch leer macht, oder sich e-mails irgendwie, eben Räumen heißt eigentlich auch etwas leeren, dass man eigentlich dafür Platz macht. [Unterbrechung durch Läuten an der Wohnungstüre]

K.K.: Also. Weiter dann.

E.M.: Also wir waren gerade …

K.K.: Beim Räumen

E.M.: dass du gesagt hast, du räumst mal alles frei, damit neues Platz haben kann, ja?

K.K.: Ja. so ist es. [E.M.: Ja, das kenn ich auch gut] Und dann, ja mein Gott, dann gibt es dann, je nachdem was es ist, ich gehe jetzt einmal davon aus, wenn ich jetzt, so wie es jetzt bei mir gerade ist, ich versuche gerade mit einem Stück, das ist eigentlich ein Tape-Stück oder ein elektroakustisches Stück, dann gibt es halt irgendwelche Skizzen schon, die jahrelang herumliegen, oder ich weiß dann schon ungefähr, was mir am Herzen liegt oder wo das hingeht, da gibt es einen Bezug zu einem Gedicht, ich gehe jetzt einfach von einem konkreten Beispiel aus, oder da gibt es schon eine ganz eine klare formale Vorstellung und suche dann nach Klängen in meinem Archiv, ja, dann legt man sich einen Ordner an, das wird wahrscheinlich so durch alle Sparten ähnlich sein, ja, es ist ein bisschen wie Kochen, man schaut einmal was braucht man für Zutaten, also in dem Fall, bei so einem Stück, da weiß ich, da bin ich jetzt ganz allein daran und da kann ich allein dahinarbeiten, und ich weiß dann und dann im Dezember gibt es die Aufführung, das ist einfach schon, das gibt mir mächtig viel Druck, weil ich weiß, das ist schon superknapp, und das sind alles so Dinge.

E.M.: Das heißt so Außenhalte, Termine oder Anfragen spielen eine wichtige Rolle für dich in der Realisierung von Vorhaben?

K.K.: Ja, ja schon, ja das hat sich jetzt schon in den Jahren so gedreht, ganz in den Anfängen habe ich einfach einmal so etwas gemacht, was ich mir denke, das es ist, aber irgendwann, es würde mich jetzt niemand um ein elektroakustisches Stück fragen, wenn die Leute nicht wissen würden, ich mache sowas, also das ist eh klar, oder manchmal gibt es halt dann eine Anfrage von irgendeinem Solisten/Solistin, ich hätte gern ein Stück von dir, also das sind so ganz schöne Beispiele, wo etwas ganz Schönes entsteht, oder entstanden ist schon, dann gibt es manchmal, voriges Jahr eben gab es ein Festival und da gibt es dann so einen Pool an Musikern, da konnte man sich etwas aussuchen, also es bestimmen schon die äußeren Umstände bei mir das mit, nicht immer, manchmal gibt es einfach auch etwas, wo ich von mir heraus sage, für den Anlass, natürlich, man kann sich dann in einem begrenzten Bereich, meistens ist es auch finanziell begrenzt, etwas aussuchen, ja.

E.M.: Und du hast gesagt, du hast, wenn ich das richtig verstanden habe, so eine Art Archiv, aus dem du dann Klänge, Töne oder irgendwelche Dinge herausholen kannst, die dann in so einer Situation auch gut brauchbar sind [K.K.: In dem Fall jetzt.], habe ich das richtig verstanden, dass es so quasi Teile gibt, die von irgendwo her einmal schon abgelagert wurden, für später?

K.K.: Ja manchmal, manchmal muss ich auch ganz neu etwas aufnehmen, aber jetzt geht es um Aufnahmen, oder ich habe jetzt zum Beispiel mir gedacht, mein Gott, da geht es um schlicht und ergreifend Wasseraufnahmen, und da habe ich mir gedacht, ach da nehme ich doch jetzt etwas, was wir zum Beispiel im September aufgenommen haben, im Zug unseres Filmportraits, wo ich damals nie daran gedacht hätte, dass ich das jetzt für das verwenden kann, aber auf einmal, das ist schon einmal so ein Beispiel von Bezügen, wo ich mir denke, ja klar, das würde sich ja wunderbar eignen, weil ich schon ein bisschen weiß in welche Richtung ich das transformieren will, also das sind dann schon so, da hat man so [lacht] die Schnuppernase, so einen Spürsinn, man versucht das dann aufzuspüren, das ist ein bisschen so ein durchscheinender Prozess, also ich such das Material und weiß aber auch schon im Vorhinein, wo ich hinwill, also in dem Fall, und oft dreht mich das Material dann eh woanders hin, also Abweichungen gibt es ja genug, aber ich gehe einmal von einer sehr klaren Struktur aus, das mache ich eigentlich immer, die ist ziemlich klar.

E.M.: Woher kommt die?

K.K.: Ja, woher kommt die? Ich glaube das ist auch so ein Speicher, der sich über Jahre, Jahrzehnte mittlerweile schon, zumindest zwei, man denkt ja doch immer über die selben ähnlichen Dinge nach und dann arbeitet man sich an dem ab und kommt dann wohin und dann wiederholt man das wieder auf einer anderen Ebene.

E.M.: Das heißt du hast auch schon so Strukturierungserfahrungen, die du dann das nächste Mal wieder aufgreifen kannst?

K.K.: Genau, das liegt genau so im Archiv, also im unbewussten Archiv manchmal, nicht.

E.M.: Aber letztlich machst du dir auch die Struktur selber?

K.K.: Ja, soweit man Struktur … es gibt auch so Autotypen von Strukturen, da kann ich jetzt sagen, Wiederholung gibt es einfach, eine Gliederung nach einem Reihensystem, das habe ja nicht ich erfunden, aber dessen bediene ich mich, und natürlich mache ich es mir gefügig oder erfinde so meine Klement-Regeln dazu oder so wie ich das halt dann auffasse, aber das sind ganz banale Spielregeln, ob man jetzt eben eine Motette – ich sag ja, das fasziniert mich auch so an Komposition, man kann sich sagen, wenn man jetzt eine vierstimmige oder fünfstimmige Motette schreiben muss und es sind Quintparallelen verboten und xy, daran kann man sich abarbeiten, oder das ist einmal …

E.M.: So eine Art Rahmung oder sowas?

K.K.: Es sind einfach Spielregeln, an die man sich halt halten soll oder eben manchmal schmeißt man sie dann um oder muss sie umschmeißen oder je nachdem wie streng man halt mit sich ist oder mit der Arbeit [lacht].

E.M.: Bist du streng?

K.K.: Ich kann sehr streng sein, ja.

E.M.: Tut es weh?

K.K.: Manchmal mehr, manchmal weniger [lacht]. Es gibt Arbeiten, wo ich mir wirklich gedacht habe, pfoa, jetzt wird es aber eng, und das ist natürlich dann spannend, also die andere Seite von mir ist die Improvisation, die ja vermeintlich so frei ist, und für mich ist es aber immer so ein Hin und Her, weil du kannst ja auch nicht mehr improvisieren als was du irgendwo einmal gelernt hast oder dir selber angeeignet hast, und das sage ja nicht nur ich, also die große Freiheit – also Improvisation ist einerseits das Höchste, wenn sie sehr gut ist, so ähnlich wie mit der Lyrik glaube ich auch, es gibt kilometerweise, also nur dass man sich irgendetwas vom Leib spielt oder schreibt, also es gibt auch in der Improvisation glaube ich sehr sehr, auch wenn sie jetzt nicht festgesetzt sind oder niedergeschrieben sind, klare Regeln, oder, ich nenne es halt so, kommunizierende Gefäße, die Improvisation und die Komposition, ich meine für mich ist es immer ein Hin- und Herwirken, und man lasst sich natürlich dann beeinflussen, oder das Schöne in der Improvisation ist, wenn man gute Partner/Partnerinnen hat, dann ist man zu Dingen fähig, wo ich mir manchmal denke, wow auf das wäre ich allein nie gekommen, also die Gunst des Moments, was ja das Musizieren auch ist, natürlich, fließt da schon ein, und das fließt in der Komposition viel weniger ein.

E.M.: Das heißt ist das Komponieren eher eine einsame Tätigkeit?

K.K.: Jein, ja schon, schon, es ist viel, irgendwo ist es ein hierarchischeres Prinzip, ganz klar.

E.M.: Hierarchischer?

K.K.: Naja da gibt es eine Person, die den anderen sagt, ihr sollt das so machen, [lacht] das ist ja eigentlich ein, wird ja auch viel diskutiert [E.M.: Beim Komponieren?]. Ja sicher, die Urheberschaft an sich..

E.M.: Also du sagst quasi als Komponistin den anderen dann, was sie zu tun haben oder wie ist das zu verstehen?

K.K.: Genau, das ist ja doch ein sehr hierarchisches Prinzip, also es müssen sich Interpreten/Interpretinnen unterordnen oder halt dem versuchen gerecht zu werden, da gibt es natürlich auch Modelle, also schon in der Musikgeschichte, dass die Interpreten/Interpretinnen sehr frei mit gewissen Parametern oder Material umgehen können, das gibt es ja auch, also Komposition kann ja auch heißen irgendetwas in Gang zu setzen, und das ist genau dieses Spiel mit der Strenge, also es gibt konzeptuelle Ansätze, wo man sagt, der Interpret oder die Interpretin soll sich halt, ich weiß nicht, vier Materialien aussuchen und dann das und das und das damit versuchen, das bedarf aber schon, ja, da müssen sich die Leute, die interpretieren immer viel mehr damit auseinandersetzen, und erfahrungsgemäß werden diese Stücke viel weniger gespielt, das wollen die Leute nicht so gern, also wenn man eben diese Hierarchie oder diese Autorität eigentlich aufbricht und sagt, du … [E.M.: Mach einmal selber etwas daraus.]. Genau, es gibt zwar sehr klare Anweisungen oder, genau in dem Feld glaub ich bewege ich mich auch, es gibt dann so, wo man wohl sehr viel Freiheit hat an Improvisation, oder so etwas interpretiere ich dann auch hin und wieder, weil mich das auch reizt, das beeinflusst mich natürlich auch im Denken, also ich finde alles, was man interpretiert, das Hierarchische relativiert sich ja schon wieder, weil ich glaube es ist einfach in der Musik so, dass man, auch wenn man jetzt eine Beethoven-Sonate interpretiert, man hat eigentlich sehr viel Freiraum, und man muss es einmal verstehen lernen, was das Ganze überhaupt bedeutet, der Notentext, nicht nur der Notentext, sondern was die Musik, was das eigentlich ist, und da gibt es unendlich viele Ebenen eigentlich, und das macht das Ganze einfach so interessant, [lacht] ja also das ist ein unendliches Feld.

E.M.: Und dieser Aspekt des, wie du es nennst, Hierarchischen beim Komponieren, also dass du anderen vorschreibst, was sie da zu tun haben, also hast du dazu irgendwie angenehme oder weniger angenehme Empfindungen oder sagst du, das ist einfach so beim Komponieren, also würdest du das lieber nicht haben, oder findest du das eigentlich auch toll, dass du einen Prozess steuern kannst, wie ist das für dich?

K.K.: Ja das ist zwiespältig, einerseits mag ich das sehr gerne, weil ich aus meiner Erfahrung weiß, wenn ich einer Idee, die ich jetzt halt einmal habe, klar folgen kann und die halt bis ins Letzte ausforme, oder das fordere ich von mir, und dann jemand anderem in die Hände gebe, das mag ich schon sehr gerne, wie ich vorher gesagt habe, das ist ja nicht etwas Aufgezwungenes , andererseits muss man sagen, es ist natürlich etwas Gewachsenes, es ist eine mitteleuropäische Tradition, das ist ja jetzt etwas, was nicht ich erfunden habe, wo ich mich natürlich auch auf etwas draufsetze, oder der Musikbetrieb funktioniert halt so, und da gibt es natürlich Hinterfragungen des Ganzen, und wenn man irgendwo gespielt werden will, oder wenn ich was weiß ich will, dass das Ensemble xy oder Orchester xy mich spielt, dann muss ich natürlich dem schon nachgehen, und da gibt es jetzt viele Bemerkungen dazu, was sich da so verändert hat, was sich aufgebrochen hat, wie überall politisch in den 60ern, 70ern, und wenn man jetzt schaut, was die zeitgenössischen Festivals spielen, also da gibt es schon eher wieder so einen Rücklauf, dass man lieber zu den konventionellen oder halt alles genauestens ausnotiert, also da gibt es dann schon so ganz verschiedene Spuren, die man gehen kann, ich meine es gibt so diese Bereiche in der Komposition, wo die Leute wirklich jede Bogenhaltung bis ins letzte Detail ausnotieren, wenn es einen Sinn macht ist es gut, aber es ist natürlich ein unglaublicher Moloch auch geworden so, da ist man ja dann ein eingesperrter Interpret [E.M.: Mhm.], wo man sich nicht mehr rühren kann, das gibt es auch, also das sind glaube ich auch so Bereiche in der Komposition, über die man halt nachdenken muss, oder soll, oder die hinterfragt werden einfach, weil wir ja doch im 21.Jahrhundert leben und das sind politische Modelle.

E.M.: Und wenn du solche Entscheidungen zu treffen hast bei einzelnen Stücken, die du komponierst, triffst du die eher aus dem worum es geht raus, also aus der musikalischen Seite quasi raus oder aus dieser politischen Dimension, also sagst du nein, ich will jetzt nicht so strikte Vorgaben machen, oder ist dir das egal, solange es musikalisch Sinn macht, sinnvoll ist?

K.K.: Das geht natürlich Hand in Hand, ich würde schon sagen, dass man in erster Linie die musikalische Idee durchbringen muss, aber die musikalische Idee ist jetzt ohne diese, bleiben wir bei diesem Terminus, politische, oder wie sie organisiert ist, ja, Musik muss man ja irgendwie organisieren, und wenn ich jetzt sage, es ist alles ganz genau ausnotiert und spielt das einfach, da kann man ja auch sehr viel hineinpacken, also mir ist es immer ein Anliegen, die Leute sollen schon wissen was sie tun, ich versuche immer sehr viel Eigenverantwortung zu geben, und ich meine, das ist ein Appell, das müsste ja eben – mein Beispiel immer mit der Beethoven-Sonate, da gilt das ja genau so, nur kommt es viel schneller an die Oberfläche, bei etwas, was man noch nie gehört hat, ja, wenn man sich das erarbeiten muss, dass man da eigentlich gefordert ist, weil es gibt halt noch nicht 200 Einspielungen von dem, und es hat einfach noch niemand gemacht. Ja, also es geht Hand in Hand, und das kann man nicht trennen, also nicht, dass ich explizit politische Musik mache, das kann man natürlich auch, und da gibt es verschiedene Beispiele, also, aber ich glaube dass man in dem, welche Form man wählt, das ja auch eine politische Aussage ist [E.M.: Mhm.], ob man sich jetzt das Konzerthaus unter Anführungszeichen als Ort aussucht, das ist sehr sehr diffizil eigentlich, ob man halt dann deshalb durchfallt, weil man eben den Weg nicht geht, also diese Off-Szene, also das kann man alles politisch konnotieren glaub ich, ich will es jetzt nicht übertreiben, aber es ist eigentlich so, wenn man es genauer betrachtet, vielleicht in der Musik viel stärker als in anderen Medien, weil du einfach mit gewissen Dingen keine Chance hast ins Konzerthaus zu kommen oder umgekehrt, also die akademische Haltung und die nicht akademische Haltung ist sowas …

E.M.: Akademisch wäre dann das Konzerthaus oder umgekehrt?

K.K.: Ja ich tu jetzt einmal ganz schwarz-weiß malen, ja sicher, also mit dem Einzug der elektronischen Medien hat sich auch die Musik demokratisiert, wenn man so will, weil halt einfach die Leute Zugang haben, die können sich halt ihre Sounds jetzt selber machen, und man braucht kein Notenlesen mehr, und man braucht keine Tonsatzausbildung, also das Ganze spielt da mit hinein, deshalb nenne ich jetzt die akademische Sprache, die NotenschreiberInnen, jetzt ganz platt ausgedrückt, also da sind wir eh wahrscheinlich mittendrin in einer ziemlichen Revolution, oder die hat sich eh schon mehr oder weniger vollzogen.

E.M.: Das bringt mich auf die Frage wie denn du deine Ideen und deine Kompositionen, oder auch nur Teile davon, festhältst, so dass sie dann beispielsweise von Interpreten aufgeführt werden können, in welchen Medien tust du das, wie tust du das, also schreibst du Noten wie man sich quasi den Komponisten im Kerzenlicht vorstellt, oder machst du das ganz anders?

K.K.: Nana, ich schreibe ganz normale Noten, also wenn man es aus der Hand gibt und man sagt, das soll jemand anderer ausführen, dann muss man es ja in eine Schriftsprache bringen, die verständlich ist, es gibt auch graphische Zeichen oder verbale Anweisungen oder oft gibt es da mehreres, was man braucht, aber sagen wir das grundlegende, also die Notenschrift, die kann man durchaus noch verwenden, aber man muss sie halt in alle möglichen Bereiche ausdehnen und ergänzen, aber letztlich ist es halt so wie wahrscheinlich die Buchstaben im Alphabet, das ist halt etwas, was alle einmal lernen, oder wenn man ein Instrument lernt, auf dem kann man aufbauen und es ist ein allgemein verständliches Vokabular, mit allen Mängeln, die es natürlich hat, ja, das ist eh klar.

E.M.: Und so Dinge wie, ich nehme jetzt irgendeine Vorstellung, die ich habe, du sitzt am Klavier und machst dort was und dann nimmst du das auf und das gibst du weiter, und sagst macht ihr da mal, macht das einmal nach, oder gibt es bei dir so ein Zwischenstadium, wo du Ideen, die du hast und die du zum Klingen gebracht hast, wo du die einfach einmal aufnimmst, um sie nicht zu verlieren, bevor du sie aufschreibst, oder schreibst du gleich, notierst du gleich?

K.K.: Nein. Ja das gibt es manchmal auch, das, was du schilderst, ich glaub man muss das trennen, das Phänomenologische, also das trifft eh ein bisschen die Improvisation auch, also das Klingende, und das andere, das Komponieren hat für mich in erster Linie einmal mit Strukturen zu tun und da versuche ich eigentlich einmal einer Struktur zu folgen und das Klingende ist dann oft die Oberfläche, also mir ist das schon öfters aufgefallen, dass ich mir gedacht habe, dass das Klingende so eine Nebensache ist, aber es gibt so das Gerippe der Komposition, das ist für mich das Interessanteste, als da merk ich so richtig, woa, das ist das, was mich so richtig interessiert, und an dem arbeite ich mich ab und dann kleidet man dieses Gerippe aus und das sind dann natürlich auch die klanglichen Anteile, das ist aber oft dann so ein erklingendes Ergebnis, was vielleicht nicht unbedingt das Primäre ist, also da muss ich ein bisschen unterscheiden, weil der Prozess von einem elektronischen Stück, da arbeitet man immer vom Klanglichen weg, oder viel schneller, da hat man diese klangliche Materie also eher im Computer oder in der Hand, und da kann ich gleich einmal sagen, nein die Transformation, die gefällt mir jetzt nicht, oder da mache ich jetzt noch eine und verändere einen Parameter oder eine Eingabe ein bisschen, so kleine Nuancen kann man da feilen, und wenn man jetzt für ein größeres Ensemble schreibt, kann man das ja nicht vorher, also ich mache das eigentlich nicht, viele Leute spielen sich das schon digital ein, da kann man ja sehr viel ausprobieren.

E.M.: Also du imaginierst dann eigentlich wie das im Zusammenklang dann ist?

K.K.: Ja,sagen wir, im Laufe der Jahre hat man doch jetzt so viel Erfahrung angesammelt, dass ich mir das doch so ungefähr vorstellen kann und manchmal klingt es dann doch ganz anders, da sagt man das klingt jetzt so, das wollt ich gar nicht, aber das kommt halt dabei heraus, wenn man die Struktur so ausführt, also das ist dann für mich so ein Feedback.

E.M.: Ja das war schon die Frage, ob du aufschreibst, was dir einfällt, oder ob du manchmal einfach etwas zum Klingen bringst und aufnimmst, um diese Idee nicht zu verlieren.

K.K.: So als Skizze, ja schon, aber das Schreiben, und ich glaub das gehört für zumindest ganz klar zum Komponieren dazu,das ist einen Gedanken zu Papier bringen, das muss man erst einmal schaffen, da sind wir jetzt wieder bei unserer Transformation, also das ist eine unglaubliche Transformation, und ich merke immer wieder, es ist glaube ich auch auf der einen Seite überbewertet, weil sehr oft die Partitur mehr gilt als das Klingende, also es gibt manchmal so einen Überhang in die Richtung, andererseits finde ich es ganz schwer, also für mich ist es ein unglaublich schwieriger Prozess, das zu schaffen, etwas so aufzuschreiben, dass es dann auch wirklich so klingt, wie man sich das vorstellt, und da ist natürlich jetzt, man hat ja wohl das Fünfliniensystem, aber da muss man noch so viel dazu ergänzen, das ist eine unglaubliche Hacke Arbeit, das so gut aufzuschreiben.

E.M.: Also du sagst, man hat einen Gedanken und die Herausforderung ist, den dann zu Papier zu bringen, dieser Gedanke, ist der so etwas wie eine Erkenntnis, also erkennt man da was dabei, wenn man diesen Gedanken hat, denkt man sich, aha, oder: so ist es..

K.K.: Ja, das ist so eine Rückkoppelung, ich glaube je klarer man eine Vorstellung hat, oder wenn man so will ist es vielleicht eine Erkenntnis, umso klarer kann man es natürlich hinschreiben, man merkt oft warum oder auch bei Dingen, warum funktioniert ein Teil nicht, oder man probiert einmal etwas aus in der Probe und dort hängt es immer, und das sind immer zu 99 Prozent die Teile, wo man eh schon, wo man sich selber entweder nicht ganz klar ist oder wo es zu kompliziert wird, also zu diesem Zusammenhang zu dem, was ich vorher gesagt habe, das Äußere ist manchmal, die Oberfläche ist der Klang, man kann das ablesen, wenn die innere Struktur oder wenn die Dinge schlüssig sind, ist dann meistens das Klangliche auch ein gutes Ergebnis.

E.M.: Und diese innere Struktur, dieser Gedanke, den du da fasst, könnte man den auch in einem ganz anderen Medium zum Ausdruck bringen, also könnte daraus etwas anderes werden, als dann letztlich ein Klangereignis, das jemand zur Aufführung bringt?

K.K.: Das habe ich noch nie ausprobiert, ja wahrscheinlich, wenn man sich so reduziert, so auf die ganz ursprünglichste oder, was ich am liebsten mag ist so ganz der Anfang, wenn man wirklich noch so groß denkt und wie in großen Strichen oder Pinseln malt, wo man noch sehr ja groß meistens denkt, und dann sieht man: nein, das geht nicht und dann muss man sich eh wieder beschränken, weil es nur anders durchführbar ist, oder wenn dann so ganz grobe strukturelle Zeichnungen, Skizzen da sind, kann ich mir vorstellen, vielleicht könnte man das in ein anderes Medium auch hieven.

E.M.: Gibt es da welche mit denen es leichter ginge, oder welche mit denen es besonders schwer wäre, oder kannst du da etwas unterscheiden, was da am ehesten nahe dran wäre?

K.K.: Ich glaube, man muss sich einfach auf den Weg machen, weil mir fällt jetzt ein, eine Freundin/Kollegin von mir hat es einmal unternommen Musik von mir in Literatur zu übertragen, und zwar nicht assoziativ, sondern sie hat versucht das, was sie als Struktur heraushört, zu analysieren und das als Text zu schreiben, und ich fand die Texte ganz toll, es ist für mich revolutionär, es haben vielleicht andere Leute auch gemacht, aber es ist relativ selten glaube ich, dass im Text so gearbeitet wird, so strukturell, ja, kristalline Gebilde hat sie einmal analysiert und sie hat das dann versucht in der Sprache so zu setzen oder sich variierende Wiederholung und hat dann einfach einen ganz schönen Text entwickelt, also das hat mich sehr gefreut, also das wäre ein Beispiel dafür, dass man sagen kann, wenn man versucht, das strukturell anzugehen, kann man das wahrscheinlich gut in ein anderes Medium übersetzen mit allen Individualitäten, die dann eh der oder die Künstlerin, die das macht,noch mitbringt, genauso gut könnte man es wahrscheinlich in ein Bild übertragen, oder in einen Film, Film geht sicher gut.

E.M.: Hattest du den Eindruck das wiederzuerkennen, also konntest du Strukturen, die dir wichtig waren da wiederfinden?

K.K.: O Ja, war mir sehr klar nachvollziehbar, sie hat das auch sehr gut analysiert, also sie hat mich auch gebeten möglichst das zu erklären.

E.M.: Das finde ich spannend, so etwas zu probieren.

K.K.: Ja, das Spannende war ja dann, aus dem Versuch heraus, was dann eigentlich für ein Text inhaltlich herauskommt, oder was stimmt man jetzt für einen Zusammenhang.

E.M.: Ja, also ich finde das ja auch vor dem Hintergrund der Frage spannend, ob denn das, was man tut, zum Beispiel als Komponistin, etwas ist, was etwas ganz Persönliches ist, also was sozusagen nur du tun kannst genau in dieser Weise, und niemand sonst, hast du den Eindruck das verhält sich so?

K.K.: Ja, bis zu einem gewissen Grad natürlich, man ist irgendwo ein Individuum, das hat jetzt nichts mit so einer genialen Selbstüberschätzung zu tun, wenn ich sage ich habe schon oft das Gefühl, wenn ich das nicht mache, wer anderer…also vielleicht schätze ich das auch nur so ein, aber das ist ja manchmal ein unglaublicher Druck, ich muss das machen oder ich muss das machen, mit unterschiedlicher Betonung, da gibt es beides, also dieser Zwang ich muss es machen und ich muss es auch machen.

E.M.: Woher kommt das müssen?

K.K.: Das weiß ich nicht, das weiß ich wirklich nicht.

E.M.: Also das spürst du in dir einfach, du willst es dann auf jeden Fall tun?

K.K.: Ja ich werde es nicht los, also so wie das Stück, jetzt wo der Dezembertermin näherkommt, das weiß ich seit 95, das ist eine extrem lange Spanne, aber das wird nicht aufhören zu pochen, ja, und zu sagen, irgendwann kommt es, und es würde mir wirklich sehr leid tun, das muss ich auch machen, ja, manche Stücke sind vielleicht nicht so unbedingt … da gibt es ganz unterschiedliche Lagerungen.

E.M.: Ok, in dem Fall ist es etwas, was von dir gemacht werden muss [K.K.: Genau.], also das ist notwendig.

K.K.: Also jetzt mache ich das schon lange genug, oder das sind halt so Entscheidungen, die man mal trifft, wenn man sagt, ich muss diesen Beruf wählen, oder ich muss das Klavier aufgeben zugunsten der Komposition, also da sind viele Abzweigungen gegeben, ich widme dem auch meine Zeit und Energie, da kann man viel dazu sagen, wahrscheinlich konnten Frauen vor 100 Jahren solche Entscheidungen noch gar nicht treffen oder konnten so etwas noch gar nicht sagen, weil sie halt andere Aufgaben zugewiesen bekommen haben, das möchte ich nur sagen, damit das nicht so als Künstlerego [lacht] rüberkommt, also ich muss das tun, da kann man sehr viel unterdrücken [E.M.: Ich verstehe schon.], glaube ich, sagen wir ich habe jetzt die Möglichkeit es zu tun und da ist schon das Gefühl sehr stark, ja ich, das ist einfach irgendwo da im hintersten Unterbewusstsein, es ist aber auch deshalb da, weil es schon einmal angefangen wurde, weil es da schon einen ersten zweiten Teil gibt, und jetzt der fällige dritte Teil und das trägt man halt eine Zeit lang herum.

E.M.: Gibt es da auch Beispiele, die anders herum laufen, wo irgendwas mit der Zeit keine Spannung mehr hat oder wo man kein besonderes Interesse mehr hat, eine Sache, die man angefangen hat, weiterzuverfolgen, weil es einem nicht mehr so wichtig erscheint, oder ist das immer so, dass du, wenn du etwas anfängst, du da dranbleibst, wenn auch in langen Rhythmen.

K.K.: Ja meistens muss man es ja doch fertigmachen, weil man es abgeben muss oder aufführen muss, möchte, natürlich gibt es einfach auch Stücke, wo man sagt, naja das ist jetzt nicht wirklich so am Punkt oder das Gelbe vom Ei, aber es ist halt dann oft irgendetwas, das auf der Strecke liegt und das nächste Mal greift man wieder etwas auf, das ist eh klar, die Stücke haben unterschiedliche Qualitäten, manche sind gelungener und manche sind weniger gelungen.

E.M.: Sind die auch wahr die Stücke, würdest du sagen, dass in denen eine Wahrheit enthalten ist?

K.K: Keine Ahnung, das weiß ich nicht, also Wahrheit, ich glaub für mich gibt es keine absolute Wahrheit, das ist nicht etwas, das mich, das klingt vielleicht überheblich [lacht], aber das interessiert mich nicht, irgendeine Wahrheit da jetzt aufzustellen.

E.M.: Aber zum Beispiel wenn du sagst es gibt gelungene und weniger gelungene Stücke, wie könnte man das dann nennen, stimmige, die in sich stimmig sind? Oder was würdest du als gelungen ansehen?

K.K.: Gelungen, das merkt man eh sofort, das glaub ich teilt sich, das ist eben das, was sich dann doch einer Allgemeinheit mitteilt, ich meine da muss man auch relativieren, also wenn einmal die Aufführung sitzt und das Stück gut ist, es gibt auch Beispiele, wo ich weiß das Stück ist gut, aber die Aufführung war schlecht, oder irgendeine Kleinigkeit kann oft fehlen und dann passt es, oder manche Stücke brauchen ein bisschen länger, bis man sich selber eigentlich, wo man denkt nein, nein, das passt schon so.

E.M.: Also das teilt sich mit diese innere Stimmigkeit, oder das Gelungensein teilt sich einem mit und auch den anderen?

K.K.: Ja das muss nicht immer übereinstimmen, manchmal denke ich mir ja puh, das ist mir jetzt wurscht, also es ist mir relativ egal, ob jetzt die anderen, also ich schreibe jetzt nicht für das Publikum, das ist für mich auch ein Kriterium oder eine Definition, wenn man schon diese Kriterien hat oder von diesem hehren Dasein als Künstlerin oder Komponistin, also wenn ich anfange ans Publikum zu denken, glaube ich, habe ich verloren, oder an den Publikumsgeschmack, das darf kein Kriterium sein.

E.M.: Was hast du denn stattdessen, also an wen oder was richtest du dich dann aus, wenn es nicht für jemanden ist, der das dann mal hören kann? Also was ist dein inneres Kriterium statt dieses äußeren?

[49:00] K.K.: Das ist eine gute Frage, ja das ist einfach meine Instanz, wo ich mir denke das muss ich entscheiden, das ist meine Verantwortung, und da kann ich natürlich manchmal falsche Entscheidungen treffen, da glaub ich, das tun wir halt dann alle, oder alle die schöpferische Menschen sind, weil sonst steigt man aus aus dem künstlerischen Tun, wenn ich einen Publikumsgeschmack verfolge.

E.M.: Wenn ein Stück von dir zur Aufführung gelangt und Leute das eben hören und sichtlich mögen, wenn du so ein Feedback bekommst, freust du dich da? Also wie wichtig ist das für dich, so ein Feedback zu kriegen von außen?

K.K.: Ja sehr, also das ist mir natürlich sehr wichtig, weil die Kommunikation muss ja da sein, ja das ist so eine philosophische Frage, gibt es das Kunstwerk auch ohne Betrachter/in oder Hörer/in, natürlich es interessiert mich sehr, die Praxis ist eigentlich so, dass man sehr sehr wenig Feedbackt kriegt, das sind so verschiedene Stränge, es kommt selten jemand her nach dem Konzert und sagt, du das war grottenschlecht oder das hat mir nicht gefallen, meistens hört man nur die Stimmen, die sagen es hat mir gefallen, das spielt sich zwischen Ehrlichkeit und Höflichkeit ab, und dann gibt es natürlich ganz ganz wenige kompetente Stimmen, die auch wirklich etwas sagen können, auf die bin ich sehr sehr gespannt und die braucht man glaube ich auch, die einem wirklich ehrlich sagen, du, das und das …

E.M.: Das sind dann aber auch schon so sozusagen Kenner des Metiers, die das auch selbst können?

K.K.: Kenner oder Freunde, weil auch Kenner, die mich nicht gut kennen, die werden mir das auch nicht danach sagen, das ist eine ganz heikle Sache, eben, da spalten sich dann Freundschaften, Beziehungen, weil man das nicht so im richtigen Ton sagt, [lacht] oder man sagt das ja ungern, eine Kritik, aber ich glaube, das sollte eigentlich viel mehr gefördert werden, das sich abarbeiten, viel hat auch damit zu tun sich konzentriert diese Stücke anzuhören und Kritik zu üben, das ist auch viel Arbeit, das muss man sich auch einmal antun, ich habe jetzt wieder einmal eine Zeitungskritik gefunden, das war eine meiner ersten Performances, da habe ich drei Zeitungskritiken, also wo zumindest berichtet wurde, davon kann ich ja heutzutage nur noch träumen, also dass man überhaupt irgendwo erwähnt wird, und viel mehr als eine Ankündigung oder ein Schreiben darüber, dass es passiert ist, also eine mediale Kritik gibt es ja kaum, natürlich gibt es schon Musikzeitschriften, das hat sich ein bisschen geändert, also dass da wirklich, weil es schwer ist und weil das eigentlich eher vermieden wird, es wird halt so relativ oberflächlich erzählt, was man halt so in einem Zweispalten-Bericht schreiben kann, das gibt es schon, aber das was ich jetzt verstehe unter wirklichem Feedback oder Kritik, ist selten aber ist wünschenswert, und für mich absolut notwendig.

E.M.: Wie kommt es überhaupt dazu, dass du sagst, so jetzt ist es fertig das Stück? Oder vielleicht noch davor die Frage, gibt es zwischendrin so Situationen, in denen du Zweifel hast, oder unsicher bist?

K.K.: Genug, ha, also dass es fertig ist, das finde ich nicht so schwer, ich gehe ja jetzt nicht sozusagen aufs weiße Blatt und male mal dahin, und frage mich dann, wann ist es jetzt fertig, sondern ich gehe ja oft von einer klaren Struktur einmal rein, und wenn ich glaube es ist genug ausgeschrieben oder im Detail ausgearbeitet … aber sicher ist es immer eine Frage, wie weit arbeitet man das aus, wie viel lässt man offen, wenn wir jetzt schon über diesen Bereich der Improvisation, Komposition sprechen, da ist das glaube ich ein Thema.

E.M.: Und das was dann da ist hat eine bestimmte Gültigkeit oder so? Also braucht das Werk zum Beispiel noch dich um zu existieren, oder ist das ganz unabhängig von dir?

K.K.: Nein,dann ist es, [lacht] nein, das muss natürlich selber leben, weil wann ist etwas fertig, ich glaube die Musik zeichnet sich schon dadurch aus, dass sie immer wieder neu, wenn sie neu klingt, dann ist sie ja wieder neu, lebendig, fertig ist sie in dem Sinn, ja als Komposition fertig aber als klingendes Ereignis ist sie nie fertig, also wenn sie jetzt wieder aufgeführt wird , dann ereignet sie sich neu, aber trotzdem muss man sie irgendwann einmal abschließen und sagen, so und jetzt …

E.M.: Und wenn Menschen Aufführungen hören, wo deine Werke aufgeführt werden, hat das, was sie da tun, etwas mit Verstehen zu tun, müssen die da irgendetwas verstehen?

K.K.: Nein ich fordere das nicht ein, es ist halt die Frage, was man unter Verstehen meint, da gibt es das rationale, emotionale oder ich weiß nicht was intuitives Verstehen, ich glaube eher das letztere, also beim ersten Hören, mir geht es ja auch so, auch wenn ich jetzt in der Materie involviert bin, wenn ich jetzt Kompositionen von anderen anhöre das erste Mal, kann ich das auch nur ganz intuitiv oder bis zu einem gewissen Grad, ich kann natürlich sagen bei manchen Stücken, es gefällt mir deshalb oder meistens wenn mir etwas nicht gefällt, kann ich es meistens relativ fachlich begründen, also die Ebene gibt es schon, aber wenn man Verstehen eben so versteht, dass man sagt, es berührt mich, und jetzt nicht nur emotional verstanden, sondern es trifft mich irgendwo, dann ist das schon viel, aber ich wünsche mir dabei nichts, und wenn jemand das überhaupt nicht versteht, das kann ich jetzt nicht ändern oder sehr oft, ich habe ja doch sehr viel in Schulen oder mit Jugendlichen, Kindern gearbeitet, und das macht schon viel aus, wenn man ein bisschen etwas dazu erzählt und interessanterweise je älter oder gebildeter oder verbildeter die Leute sind, gerade bei Musiklehrer/innen habe ich das sehr oft festgestellt, Kinder oder Jugendliche hören sich das an und finden das jetzt nicht was weiß ich wie ungewöhnlich, von Rückmeldungen von Musiklehrer/innen, die dann sagen, wenn ich das so erklärt kriege, dann kann ich auch etwas damit anfangen, oder weil man halt auch ausgebildet wird und gewisse Kriterien hat, woran man sich anhält und wenn man die nicht mehr hat, dann wird es schwierig, und ich meine mir geht es ja auch so, wenn ich jetzt von irgendjemand anderem, sei es in der bildenden Kunst geht es mir sehr oft so, wenn ich ein bisschen einen Hintergrund habe, ich glaube das ist mit jedem künstlerischen Werk so, dass wenn man ein bisschen mehr Information hat, man sich wahrscheinlich leichter tut, aber ich finde das muss auch für sich natürlich stehen können.

E.M.: Mhm, und eine Frage noch, wenn du am Arbeiten bist, hast du da eher das Bedürfnis, dich zu distanzieren von der Welt oder brauchst du das nicht so?

K.K.: Oja, total eigentlich, [sehr leise] das ist eine unglaubliche Herausforderung, und auch ein Spagat, den ich manchmal ganz schlecht, ich werde dann sehr un…,weil man ja im Alltag einfach zum Beispiel sehr viel, gehe ich in viele Konzerte sollte man viel mehr gehen, und wenn man dann selber gerade an etwas dran ist, also ich will dann eigentlich gar nichts hören, also es ist nicht leicht zu vereinbaren, oder wenn man dann unterrichtet und über etwas reden muss, ja so ist es halt, also ich kann das nicht, würde es aber sehr gern, oder ich brauche das, also mir wäre es unerklärlich, aber da gibt es auch Leute, auch Komponisten, eine Komponistin kenne ich, die geht ins Kaffeehaus zum komponieren, das wäre mir unvorstellbar, da wäre ich viel zu abgelenkt, das ist halt meine persönliche, da muss ich mich ganz abriegeln.

E.M.: Und kannst du eigentlich deine Arbeit wenn du gerade daran bist, also wenn sie noch nicht fertig bist, sondern du im Prozess bist, kannst du es da anderen zeigen, oder machst du das gerne, oder ist das etwas, was du vermeidest, also gibt es so ein Stadium in dem du …

K.K.: Ja, na sicher, nein das möchte ich nicht raus, nein das ist auch nicht gut.

E.M.: Also ist das so eine Art Schutzraum mit dem du das dann umgibst?

K.K.: Nein, es ist einfach noch nicht fertig, oder ich möchte das noch nicht, nein, ich glaube es gibt einfach Dinge, die brauchen die Haube darüber, bis das Ganze ausgegoren ist, oder, es ist schon schwierig jetzt auch bei unserem Projekt, da immer wieder die Haube zu lüften und ein bisschen hineinschauen zu lassen, ja, weil es gibt einfach viele Dinge, die noch gar nicht spruchreif sind und man muss dann doch darüber reden, also da tu ich mir schwer.

E.M.: Ist das auch in der Zusammenarbeit mit anderen so etwas, was du erlebst, also beispielsweise bei dem Filmprojekt, das ihr da jetzt verfolgt, oder wenn du gemeinsam mit anderen auftrittst und ihr improvisiert, wie ist das für dich mit anderen zu arbeiten, so in der Weise offen zu sein, oder sich zu artikulieren innerhalb des Prozesses, obwohl du eigentlich lieber Distanz übst und so einen Schutzraum hast, in dem du das machst.

K.K.: Na, das ist ja etwas anderes, wenn ich weiß, ich improvisiere jetzt, dann brauche ich ja jetzt nicht, dann ist das jetzt das, was es ist, dann geht man auf die Bühne und spielt oder in den Proberaum, und dann kann man noch immer danach darüber reden, oder man hört sich das an, und genau das tu ich oft, da entwickelt man dann etwas weiter, und da gibt es viel Austausch, oder sei es, dass man in einem Kollektiv etwas entwickelt, oder ich habe auch ein Kollektiv, wo man gemeinsam etwas komponiert, aber da gibt es trotzdem, ich weiß genau wofür ich verantwortlich bin und da redet mir dann auch niemand rein, ja natürlich manchmal gibt es Konflikte, unlösbare Konflikte, und dann löst sich eine Band auf, weil es eben nicht zu lösen ist, oder weil man sich dann doch irgendwie nicht versteht, also eine ganz Palette gibt es.

E.M.: Und wenn man sich versteht dann ereignet sich das einfach so, oder wenn man zum Beispiel über Dinge redet und dann sich näher kommt, oder ist das eher so ein sprachloses Einverständnis, das entweder da ist oder nicht?

K.K.: Naja man sucht sich natürlich die Partner schon so aus, dass ich sage, naja so wie der oder die spielt, das gefällt mir, und die Seelenverwandtschaften erkennt man doch, aber nicht anhand wie jemand redet, sondern meistens, oder sicher wie jemand Musik macht.

E.M.: Letzte Frage noch, wenn du noch kannst, welche Rolle spielt eigentlich dein Körper in deiner Arbeit, also jetzt in der Arbeit des Komponierens? Ist der beteiligt [K.K.: Ja sicher.], oder nicht, oder was davon, oder wie?

K.K.: Ooch, also beim selber musizieren sicher viel viel mehr, weil natürlich wenn ich am Klavier stehe meistens, dann ist der Körper dabei, und das Musikmachen ist auch ohne Körper nicht vorstellbar, also etwas Klingendes, also rein philosophisch betrachtet auch, braucht einen Körper, klingende Materie, wenn ich jetzt, darüber habe ich glaube ich noch nie nachgedacht, ich denke mir, man hat ein Körperbewusstsein, ein Körpergefühl, das teilt sich sicher irgendwo mit, ganz sicher sogar, wie man sich bewegt, oder man hat ja damit auch eine Erfahrung der Welt, wahrscheinlich hat man eine andere Erfahrung wenn man groß ist, als wenn man klein ist, das weiß ich nicht, das könnte man vielleicht untersuchen, ob sich da irgendetwas erkennen lässt im Bezug auf Komponisten/innen, mir ist einmal aufgefallen, weil ich ja eben meine Affinität zur Plastik/Skulptur, weil ich ein paar Semester da hinten die Skulptur zum Beispiel, oder Plastik ist es, das ist ein Ergebnis von Aktmodellieren, das ist so wie Aktzeichnen, und das habe ich halt ein paar Semester gemacht, naja und das war für mich schon auffällig, weil da stehen dann 10, 15 Leute herum und modellieren den selben Akt, und es hat sich immer irgendwo ein Körper, oder auch beim Zeichnen, widergespiegelt, das, was man abbildet, der eigene Körper.

E.M.: Also der Körper dessen, der da bildet, spielt in dem, was gebildet wird, mit, kommt irgendwie zum Ausdruck?

K.K.: Genau, es war dann schon, da sieht man es viel unmittelbarer, und warum sollte man das in der Musik jetzt nicht … da ging es ja darum, einen Körper abzubilden, das ist für das natürlich ein klares Beispiel, und die Musik ist halt schon viel viel viel abstrakter, aber irgendwo kann sie ohne physikalisches Erleben ja auch nicht auskommen, und ein Körpergefühl hat man einfach, ich glaube, sonst wären wir nicht da in der Welt, das kann man nicht leugnen, und das wird sich wohl irgendwie mitteilen, aber ich sehe das jetzt nicht sehr vorrangig.

E.M.: Wenn deine Werke, ich habe zwar gesagt die letzte Frage, aber mir ist noch eine eingefallen, wenn sie fertig sind, treten sie dir dann irgendwie fremd gegenüber? Also erkennst du sie als deine, oder sagst du dann ja, beispielsweise merke ich, irgendwie kommt da auch mein Körper vor, oder meine Lebensgeschichte, oder das ist meins, oder dann kommen viele Sachen vor, die ich nicht bewusst reingesteckt habe, aber jetzt sind sie da und zeigen sich, also wie geht es dir mit Dingen, die du selbst gemacht hast und die dir dann gegenüberstehen, oder die du dir anhörst oder so?

K.K.: Ich glaube um das beurteilen zu können, brauche ich viel zeitliche Distanz, meistens am Anfang sehe ich das nicht oder kann ich das nicht so differenzieren, und so über die Jahre merke ich dann einfach, manche Stücke die bleiben einfach so, und da weiß ich auch immer noch ganz genau, was ich da gemacht habe, brauch ich gar nicht lange nachdenken, und bei manchen merke ich richtig, die sind einfach entfernter, sind mehr auch in die Ferne gerückt und sind glaube ich auch nicht so wesentlich, also das zeigt sich dann so über die Jahre, so wie ich dir jetzt da diese 13 Miniaturen, die sind mir nach wie vor ganz ganz nahe, die sind mir auch so ein ganz nahes Werk, weil ich wahrscheinlich viel von mir da drinnen habe, aber das kann man immer erst nach vielen Jahren abschätzen.

E.M.: Und man kann es wohl auch nicht so ausbuchstabieren [K.K.: Nein.]? Sie sind näher oder ferner mit der Zeit?

K.K.: Genau, ich glaube sie kommen dann auch wieder näher heran, wenn man einen Bezug hat und sagt, ja genau, das habe ich ja da schon, manches vergisst man auch, es ist so, wenn man das jetzt 20 Jahre lang macht, manches kann man sich ja nicht immer anhören, ich habe wohl von den meisten Aufnahmen, ja und dann merkt man schon eigentlich, das Interessante ist immer, meistens dort wo ich mich am meisten abgeplagt habe, das sind auch die schlechtesten Stücke, also die Plage, [E.M.: Ja?] meistens ja, also das, was einem näher ist, das habe ich auch so gelernt, wo ich mir denke, jetzt nimm doch das, da tust du dir viel leichter, und es ist meistens der innigere Zusammenhang, der nähere.

E.M.: Also nicht die große Qual führt zum gelungenen Werk [K.K.: Nein, nein.], sondern oft das, was einem so leichter machbar ist?

K.K.: Ja schon, also oft habe ich mir gedacht, jetzt muss ich das doch und so, und es klingt auch immer sehr bemüht [lacht], ja, fertig, es kommt aus dem nicht heraus, das ist eine Erkenntnis.

E.M.: Gut, danke.